Sonntag, 30. Dezember 2018

Kurzgeschichte zu Silvester

 
Auf dem Weg zum Lazerett
Ein eiskalter Schneewind weht uns ins Gesicht.„Komm, Gefreiter Udo! Die paar Kilometer schaffen wir noch! Komm, ich trage dich ein paar Meter. Nicht aufgeben...“

1. Januar. 6 Uhr früh.Endlich zuhause angekommen. So kalt und unangenehm war es ja schon seit Jahren nicht. Und natürlich gab es weder öffentliche Verkehrsmittel noch Taxis. Und dieser Idiot hätte mir schon am Telefon erzählen können, dass er ein gebrochenes Bein hat! Erst einmal ab ins Bett. NIE WIEDER SILVESTER.

31. Dezember. 6 Uhr abends.„Hallo, Udo. Natürlich können wir etwas an Silvester machen. Ich hatte vor, in Pasing in eine Bar zu gehen, wo ein guter Freund von mir arbeitet. Passt? Dann bis später!“

1. Januar. 1 Uhr nachts. Da hinten, im Schnee, liegt Mahmud, ein guter Bekannter. Er muß wohl in eine Schlägerei verwickelt gewesen sein. Seine Augen sind halbgeschlossen. Aus Nase und Mund tropft das Blut und färbt den weißen Schnee in ein klares Rot. Es tut mir leid um ihn – gleichzeitig hat dieses Bild auch eine seltsame Ästhetik.

1. Januar. 3 Uhr früh.Ist das alles nur ein Albtraum? So hatte ich mir Silvester jedenfalls nicht vorgestellt – seit drei Stunden laufen wir durch das eiskalte München, mit dem Schneesturm immer im Gesicht. Unsere Körper zittern vor Kälte. Meine Nase und Ohren spüre ich schon seit zwei Stunden nicht. Aus allen Ecken hören wir Explosionen. Da wieder! Beinahe wäre mir dieser Ladycracker ins Gesicht geflogen! Ich muss Udo einen guten Teil des Weges mit seinem Arm um meine Schulter abschleppen, denn er hat ein gebrochenes Bein – was auch der Grund war, dass wir die Bar kurz nach Mitternacht verlassen mussten. Bumm! „Aufpassen, Udo – beinahe hätte dich dieser Feuerwerkskörper erwischt!“ Ich komme mir vor wie in Stalingrad. Die verletzten Soldaten vom Kriegsfeld räumen und ins Lazarett bringen. „Jawoll, Herr Kommandant!“1. Januar. MitternachtKling! Wir stoßen mit den Champagnergläsern an. Schon witzig: Ein Jude, ein Muslime und ein Atheist feiern das Neujahr, das nach Jesus (angeblicher) Geburt berechnet wird und nach einem Papst namens Silvester benannt ist.Udo, der Atheist, lächelt schüchtern. Heute wird das mit dem Tanzen wohl nichts.




Einen Guten Rutsch ins Neue Jahr!


Bilder: Public Domain
Text: Rosebud

Freitag, 21. Dezember 2018

Jüdische Weihnacht?

 


Dieses Wochenende, am Montagabend, während alle guten Christen zur Mitternachtsmesse gehen und mit der Familie bei einem Festmahl Weihnachten feiern und Geschenke öffnen, sitzt dann jeder vor dem Holzofen und hört sich Großpapas Geschichten an. Und die Straßen sind leer - oder?

Nicht ganz, denn natürlich gibt es sowohl in Europa als auch in Amerika bekanntlich ein paar Minderheiten (und in Israel die absolute Mehrheit), die nicht Weihnachten feiern. In Amerika waren das traditionell Juden und Chinesen (also Buddhisten) - und so weiß man sich zu erzählen, dass es eine klassische jüdische Tradition ist, an Weihnachten chinesisch essen zu gehen. Eine weitere Tradition ist es, ins Kino zu gehen - dort trafen sich Juden, Chinesen, Inder und jede nicht-christliche Minderheit, die in Amerika eintraf (und ein paar Atheisten)...

Aber noch lange vorher, im Schtetl in Polen, gab es eine andere jüdische Tradition: Das Nittel-Fest. Über die Herkunft des Wortes "Nittel" streiten sich die Forscher. Was klar steht, ist, dass es von chassidischen Juden an Weihnachten gefeiert wurde. Bekanntlich feiern Juden nicht Weihnachten, und so - wohl auch, um sich nicht zu alleingelassen zu fühlen - führten chassidische Rabbiner das Nittel-Fest ein, ein Fest, bei dem man sich ausnahmsweise nicht dem Talmud-Studium widmet, sondern Aktivitäten, zu denen man als religiöser Jude normalerweise nicht die Zeit hat.

Am Bekanntesten hierbei ist das Schachspielen: Man weiß sich zu sagen, dass Chabad-Chassidim bis zum heutigen Tag an Weihnachten/Nittel Schachtourniere durchführen, die oft die ganze Nacht andauern.

In der Nittel-Nacht (so wird Nittel auch genannt), die es bereits seit dem 16. Jahrhundert gab, war das Kartenspielen eine weitere Tradition, mit der sich die jüdischen Gemeinde die Zeit vertrieb, während rundherum aus allen Häusern "Stille Nacht" erklang.

Und so schafften es die jüdischen Gemeinden, auch an dem Tag, an dem sie oft nicht einmal das Haus verlassen durften, viel Freude zu haben.

Heutzutage ist von der Nittel-Tradition wenig erhalten geblieben. Das ist vielleicht auch ein Zeichen dafür, dass sich die christlich-jüdischen Verhältnisse in den meisten Ländern Europas verbessert haben, und es Juden weder verboten ist, an Weihnachten auf die Straße zu gehen, noch sie sich den ganzen Tag mit dem Talmudstudium beschäftigen, und keine Zeit haben, Schach zu spielen.

In Israel gibt es noch einige chassidische Juden, die ihre Schachtourniere heute abhalten. Und die Christen in Nazareth und Jerusalem feiern natürlich auch weiterhin Weihnachten.

Allen Lesern: Ein frohes Fest heute, was immer es auch sein mag!

Und schon einmal EIN GUTER RUTSCH INS NEUE JAHR

Bilder: Public Domain
Text: Rosebud

Dienstag, 11. Dezember 2018

Nachtrag zu Channukah: Ein Lied (auf Deutsch)




Channukah ist zwar seit gestern vorbei - aber als kleinen Nachtrag gibt es das deutsche Channukah-Lied:





Text: Willy Kramer (aka Willy Karma)
                                                                    Willy singt

Channukah ist der Feiertag der Wunder
an diesem Tag sind alle Juden munter
Wenn wieder Weihnachten ist, und es nervt dich wie ObL
solltest du wissen, wen wir alles bei uns haben...

yeah!

Rolf Shimon Eden spielt Dreidel in Berlin
und Henryk Broder isst Latkes mit Gil Ofarim
Der grosse Albert Einstein liebte Sufganiyot
doch leider ist er schon seit vielen Channukahs tot

Seht wie Maxim Biller und Rolf Sommer Hora tanzen
doch die koschersten T-ten der Welt hat Scarlett Johansson...
Krusty der Clown ist der Sohn eines Rabbis
und Nina Hagens Vater fuhr damals sicher keine Trabbis!

Es wird wieder spannukah - dieses Jahr an Channukah
Michel Friedmanuka hat die Nase voll von Channukah

Hella von Sinnen - a dicke Schickse
doch Hugo Egon Balder macht sehr auf jüdische Witze!
Abramowitz fährt an Channukah lieber seinen Jet-ski
aber ratet mal, wer Kerzen zündet (im Himmel) - Marcel Reich-Ranicki!

MUMPITZ!

Viele Leute geben sich diesen Channukah die Kugel
doch sicher nicht Larry Page und Sergej Brin - die Gründer von Google
Sei doch cool, und sei kein Frosch
sei einfach wie Uri Geller - sag´ "echad-shteim-shalosh"!

Es wird wieder spannukah - dieses Jahr an Channukah

Also geh ins KaDeWanukkah
und kauf Kleider von Dolce & Gabbanukah
Hast du Zahnschmerz an Channukah
tuts mir leid für dich, denn die jüdischen Zahnärztuka
sind alle am Entspannukah

Also sag deiner Babushka
Das wird das beste, beste Channukah

Happy Channukah, everybody!

Bild: Screenshots, zusammengestellt von Rosebud

Musik und Videoclip gibt es auf unserer Facebook-Seite

Dienstag, 4. Dezember 2018

"Ich wünschte, ich wäre eine Channukah-Kerze"

 



...was es damit auf sich hat, und warum man nie die Gefühle einer Channukah-Kerze verletzen sollte - das gibt es auf unserer Facebook-Seite

Bild: Public Domain
Text: Rosebud

Samstag, 1. Dezember 2018

Fröhliches Channukah!

Ab morgen abend wird in Israel und der Diaspora für 8 Tage Chanuka gefeiert.



Öl spielt an Chanukah eine sehr große Rolle:
Da ist zunächst das Wunder der Öllampe zu erwähnen. Als die Makkabäer nach dem erfolgreichen Aufstand gegen die Griechen den Tempel in Jerusalem zurückeroberten, fanden sie ihn entweiht und entheiligt vor. Der Anblick muss ein schrecklicher gewesen sein. Jedoch fand sich eine reine Öllampe, die aber nur genug Öl für eine Nacht hatte. Das Wunder der Öllampe ist es, dass sie nicht eine, sondern 8 Tage brannte, genug Zeit, um den Tempel wieder zu säubern.



                                                  Chanukiah für Olivenöl statt Kerzen

Es ist Tradition, an Chanukah jeden Tag eine Kerze anzuzünden, mit dem Wunder der Öllampe korrespondierend (d.h. am ersten Tag 1 Kerze, am zweiten Tag 2 usw.). Daher wird Chanukah auch das "Lichterfest" genannt. Und natürlich hat es auch etwas Symbolisches. So ist eines der bekanntesten Chanukah-Lieder "Banu Choshech legaresh" (wir sind hier, um die Dunkelheit zu vertreiben - gemeint ist auch die Dunkelheit der Intoleranz). Eine ganz besondere Tradition ist es, statt Kerzen zu benutzen, Dochte in Olivenöl zu stecken, und diese an Channukah anzuzünden. Damit ist man der Öllampe des Tempels am Nächsten.

Als Erinnerung an dieses Wunder ist es Brauch, ölige Speisen zu essen. Vor allem erfreut sich die "Sufganiya" an Beliebtheit bei groß und Klein: Das ist ein mit Marmelade (oder Vanilla) gefüllter Krapfen, der in tiefen Öl gebacken wird, und dann mit Puderzucker bestäubt wird. Manche bevorzugen ihn aber mit Schokolade glasiert.

Inzwischen gibt es eine richtige Sufganya-Industrie - vor allem die Bäckereikette Roladin hat Krapfen in allen erdenklichen Farben, Geschmäckern und Kombinationen - von Schoko-Pistazie-Glasur mit Kirschlikör gefüllt über Vanilleglasur mit eingebauten "Alkohol-Infusion" über Puderzucker, Nuss, echter Kirsche oben, und sogar eine Art Banana-Pie-Krapfen gibt es - kurzum: der Phantasie (und den Kalorien) sind keine Grenzen gesetzt. Hier ein Poster Roladins, das nur eine kleine Auswahl zeigt:




Mehr zu Channukah gibt es auf der Rosenduft-Facebook-Seite...
  




Happy Hannukah!

Bilder und Text: Rosebud

Sonntag, 25. November 2018

Eine Orientalische Suppe (nicht nur) für die kalte Jahreszeit

                                               

                                                        Meluchia - das Gericht der Könige


Meluchia ist ursprünglich ein ägyptisches Gericht, dessen Namen "Königlich" bedeutet. Wahrscheinlich stand es schon auf demSpeiseplan der antiken Pharaonen. Es hat sich aber schon so in Israel eingebürgert, dass man es als israelisches Gericht bezeichnen kann.

Der deutsche Name der Pflanze, aus der Meluchia gemacht wird, ist "langkapselige Jute" - da klingt Meluchia schon viel besser. Aber auch der lateinische Name ist nicht ohne: Chorcurus uliturus. Die Pflanze ist Teil der Familie der Malvengewächse, und im Nahen Osten recht verbreitet.

Die Zubereitung der Meluchia ist sehr mühsam: Jedes der ca. 90 cm. langen Blätter muss per Hand abgetrennt, gewaschen und eigenständig geschnitten und zubereitet werden. Dies stammt daher, dass nur das innere jedes Blatt benutzt werden kann. Danach werden die Blätter zusammen mit Knoblauch und Koriander für einige Stunden lang gekocht. Serviert wird Meluchia meist als Eintopf, zusammen mit Huhn- oder Rindfleisch.
                                                Ein Genuß: Meluchia
                               
Meluchia selbst schmeckt wie eine Mischung aus Okraschote und Spinatblatt, und ist wohl an gesundheitlichen Nutzen kaum zu überbieten. Zwar ist die Dickflüssigkeit anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, ist aber danach umso leckerer.

Na denn: Guten Appetit!

Bilder und Text: Rosebud

Montag, 19. November 2018

Beerscheba - eine Stadt mit Geschichte

 
                                 Das biblische Beer Sheva

"Abraham stellte aber Abimelech zur Rede wegen des Brunnens, den ihm Abimelechs Knechte weggenommen hatten. Abimelech antwortete ihm: 'Ich weiss nicht, wer das getan hat.' Da nahm Abraham Schafe und Rinder und gab sie Abimelech; so schlossen beide einen Vertrag.Abraham stellte aber sieben Lämmer der Herde beiseite. Da fragte ihn Abimelech: Was sollen die sieben Lämmer da, die du beiseite gestellt hast? Die sieben Lämmer, sagte er, sollst du von mir annehmen als Beweis dafür, dass ich diesen Brunnen gegraben habe. Darum nannte er den Ort Beerscheba(Siebenbrunn oder Eidbrunn); denn dort leisteten beide einen Eid (...)Abraham aber pflanzte eine Tamariske in Beerscheba und rief dort den Herrn an
"
(Genesis 21)

Hier in der Bibel wird Beer Sheva (auch Beerscheba geschrieben, wie oben), dass sich im Süden Israels, in der Negevwüste befindet, zum ersten Mal erwähnt. Archäologische Ausgrabungen bestätigen, dass es die Stadt bereits vor 6000 Jahren gegeben hat - und auch ein 70-Meter tiefer Brunnen steht in dem biblischen Beer Sheva ("Tel Beer Sheva" genannt, ein paar Kilometer ostlich von der modernen Stadt) - und nicht nur das, man kann dort sogar noch Wasser schoepfen:
                                  Der Brunnen Abrahams?


Ob das Wasser wirklich den Mund des Stammvater Abrahams berührte, ist schwer zu sagen. Sicher ist, dass die Stadt Beer Sheva bereits vor 4000 Jahren, zur Kupfersteinzeit, blühte, nicht zuletzt aufgrund des Wassers zweier Flüsse (Hebron und Beer Sheva), deren Betten man bis heute erkennen kann. Es gab Badehäuser, ein Kanalsystem, Regensammelbecken, einen Palast, Wohnhäuser mit hohen Standards - kurzum, nicht unbedingt das was man von einer Wüstenstadt erwarten würde...
                                 So sieht sie von aussen aus

Sämtliche Volker sind seit damals durch Beer Sheva gegangen: Die Römer, die Griechen (Byzanthinen), Araber, Osmanen, Briten und natürlich schliesst sich der Kreis mit dem modernen Israel.

Und heute: Heute sieht man von "Tel Beer Sheva" auf das modern Beer Sheva, auf die "Hauptstadt der Wüste" mit ihren modernen Strassen, Hochhäusern, und 200.000 Einwohner - und doch ist sie nur eine modern Version der biblischen Stadt, die damals die Metropole der Wüste war, mit ihrer Hauptattraktion, dem Brunnen, von dem schon Abraham trank...


                                Aussicht auf das modern Beer Sheva

Bilder und Text: Rosebud

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Montag, 12. November 2018

Nachtlauf Tel Aviv



Morgen ist es wieder soweit - in Tel Aviv, wo die Nacht eh zum Tag gemacht wird (nicht umsonst heisst sie auch "die Stadt, die niemals schläft"), findet der jährliche Nachtlauf (ist kein Schreibfehler - "ch", nicht "ck") statt - dieses Jahr feiert er sein 10. Jubiläum...

Was als kleines Event 2008 begann, hat sich zu einem Megatrend erwickelt, bei dem mehr als 25.000 Menschen mitlaufen - es ist unglaublich, die Strassen Tel Avivs ohne Autos zu sehen, und stattdessen findet eine Riesenparty für Läufer und Schaulustige zugleich statt - mit zig Stationen, wo Live-Bands, DJs und traditionell auch der gerade wiedergewählte Bürgermeister - seine Laufzeit ist 5 Jahre - die Sportler begrüßen.

Nach olympischen Motto ist Dabeisein wirklich alles - und das merkt man vor allem bei der Mega-Fete an der Zielgeraden, wo die Läufer mit Wasserflasche, Joghurtbecher - und natürlich einer Original-Medaille begrüßt werden...

Na denn - viel Glück und viel Spass (Läufern wünscht man wohl nicht "Hals- und Beinbruch")

Bild: Public Domain
Text: Rosebud

Mehr zum Tel Aviver Nachtlauf gibt es auf unserer Facebook-Seite

Mittwoch, 7. November 2018

Bahai: Geschichte einer faszinierenden Religion, mit Hauptsitz in Israel

                                             Bahai-Garten in Haifa: 100% symmetrisch


Verkehret mit allen Religionen in Herzlichkeit und Eintracht, auf daß sie Gottes süße Düfte von euch einatmen. Hütet euch, daß euch im Umgang mit den Menschen nicht die Hitze törichter Unwissenheit übermanne.“

So steht es in den Schriften von Baha-Ullah, dem Gründer der Bahai-Religion, dessen Tempel, Gräber und heilige Stätten in Israel, genauer gesagt, in Haifa und Umgebung ihr Zentrum haben. Am Bekanntesten sind natürlich die Gärten (siehe Bild oben), die zwar ausschauen, als ob sie vom britischen Königshaus adaptiert wurden, so symmetrisch und harmonisch sind sie, die aber ihren Ursprung - wie Bahai überhaupt - in Persien haben...

Bab und Babismus

Bahai ist eine moderne Religion. Ihren Anfang hatte sie mit dem "Bab" (Tor), einen iranischen Muslim aus Shiraz (Iran), der am Abend des 22. Mai 1844 den Anspruch einer göttlichen Offenbarung gab, und sich den Titel "Bab", gab, da er sich als Tor zu Gott sah - dabei greift er den schiitisch-eschatologischen Begriff des „Bab“ auf. Bab versammelte bald viele Anhänger um sich, die "Babismus" praktizieren, damals noch im Rahmen des Schiismus.

Doch bald richtete sich der Mainstream- Schiismus gegen den Bab und seine Anhänger - er wurde 1850 öffentlich erschossen, seine Anhänger verfolgt.


Baha'ulla - und Bahai

Sein Nachfolger, Baha'ulla, der Babismus in Richtung Mystizismus weiterentwickelte, und die Religion immer mehr vom Islam entfernte, wurde ebenso verfolgt - zuerst musste er nach Bagdad fliehen, dann nach Istanbul. Aber auch das osmanische Reich war ihm nicht freundlich gesonnen - und wurde in das heutige Israel verbannt, wo er 1892 verstarb. Sein Schrein, in Akkon in Galiläa, ist heute der wichtigste Schrein der Bahaii-Religion, ein Wallfahrtsort und es bestimmt die Gebetsrichtung.

Während der  mehr als zwanzig Jahre, die der Bah'ulla vor seinem Tod in Galiläa verbrachte,entstand der größere Teil des umfangreichen Schrifttums Baha'ullahs, worin die grundlegenden Lehren der neuen Bahaii-Religion ausgeführt werden, insbesondere der Gedanke der Einheit der Menschheit und die Versöhnung der Religionen. Hinzu kommen Religionsgesetz und Gemeindeordnung. Der wichtigste Text der Bahai ist das sogenannte Heiligste Buch, aus dem Jahr 1873.

Und heute?

Weltweit gibt es 5 bis 8 Millionen Anhänger der Bahaii-Religion. Wie gesagt ist das Zentrum im Norden Israels. Der Schrein des Babs ist die Kuppel in den Bahaii-Garten Haifas, wohl eines der Hauptattraktionen der Stadt - wobei die meisten Touristen sich eher für die Gärten als für den Schrein interessieren...

Die Gärten liegen auf einer Anhöhe, die Teil der biblischen Carmel-Gebirge sind, wo u.a. der Prophet Elisha aktiv war. Am Fuße der Anhöhe fängt die "German Colony" an, eine weitere Tourismusattraktion. Somit hat die Lage der Bahaii-Tempel in sich die Lehre des interreligiösen Dialogs gut integriert - und natürlich ist Haifa auch die Stadt, wo Juden, Christen und Muslime weitgehend in Harmonie leben.

Bild und Text: Rosebud

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Sonntag, 4. November 2018

Krieg und Frieden - und Templer, in Jerusalem



Templer, Liebe und Krieg in Jerusalem über Nazi-Geheimagenten im britischen Mandatsgebiet Palästinas jetzt auf Deutsch erschienen…


                                               Templer-Viertel Sarona in Tel Aviv, ca. 1930                               

Dieser historische Roman erzählt eine Liebesgeschichte vor dem Hintergrund von Geheimagentenaktionen der Nazis im britischen Mandatsgebiet Palästina, die sich wirklich abgespielt haben. Wir schreiben das Jahr 1942, “Wüstenfuchs” Rommel ist bereits bis nach Ägypten vorgedrungen und die Juden in Palästina bereiten sich auf einen Massenselbstmord a la Massada vor – unwissend, dass Nazis bereits Spione im Land haben: Nazianhänger der deutschen Templersekte kollaborieren mit pro-Nazi-Palästinenser, die Anhänger des Muftis von Jerusalem, Haj Amin al Husseini sind (der sich u.a. mit Hitler in Berlin trifft). “Operation Atlas” beginnt.
                                           NSDAP, Ortsgruppe Jerusalem

“Templer, Liebe und Krieg in Jerusalem” ist ein historischer Roman, der zur Zeit des Dritten Reiches spielt, und dessen Handlung sich im britischen Mandatsgebiet Palästina ereignet. Der Roman verknüpft wenig bekannte geschichtliche Tatsachen mit einer fiktiven Liebesgeschichte. Seine Protagonisten sind jüdische Flüchtlinge aus Deutschland und Österreich, Mitglieder der deutschen Templergesellschaft in Jerusalem (die zu teils pro-Nazi waren und sogar eine HJ-Abteilung in Jerusalem hatten!), englische Geheimagenten, jüdische Untergrundorganisationen und arabische Nazi-Spione.

Zu Ende der 1930er entwickelt sich eine außergewöhnliche Liebesgeschichte zwischen der in Wien geborenen Henriette-Tamar Landwehr, die nach dem “Anschluss” nach Palästina geflüchtet ist und Wolfgang Schwerte, einem Mitglied der Templergesellschaft in Jerusalem. Aufgrund des Druckes der Templer, unter denen sich viele Nazisympathisanten befinden, auf Wolfgang, sowie aufgrund von Morddrohungen von jüdischer Seite gegen Tamar sind die beiden gezwungen, die Beziehung zu beenden. Wolfgang kehrt gebrochenen Herzens nach Deutschland zurück. Auch Tamar versucht ihn zu vergessen, u.a. indem sie Krankenpflege lernt.



Drei Jahre später treffen die beiden wieder in Jerusalem aufeinander, just in dem Moment, als sich die jüdische Gemeinde auf die Invasion des Landes durch Erwin “Wüstenfuchs” Rommel vorbereitet, jüdische Untergrundorganisationen gegen die britische Besatzungsmacht in Palästina kämpfen, und die Nazis deutsche und arabische Spione in Palästina einsetzen.
                                           Bibelstelle auf restorierten Templer-Haus

Das Buch beginnt und hört in der Jetztzeit (1995) auf, und da wird auch das Geheimnis bekannt, dass die Protagonisten über Generationen bewahrt haben. Es basiert auf sehr gründlicher historischer Nachforschung, und gibt der Öffentlichkeit wenig bekannte geschichtliche Begebenheiten wieder. Die von den Nazis in Zusammenarbeit mit dem Mufti Haj Amin al-Husseini durchgeführte „Operation Atlas“ wurde erst mit diesem Buch aufgedeckt. Über die Aktivitäten von deutschen Nazi-Sympathisanten und Nazi-Spionen im britischen Mandatsgebiet Palästina ist bis dato kein historischer Roman auf Deutsch erschienen.  Die Liebesgeschichte ist erfunden, aber realistisch in den historischen Kontext eingewoben, und lädt auch die, die an historischen Tatsachen weniger interessiert sind, zum Weiterlesen an.

Zu beziehen ist das Buch, über Amazon

Bilder: Public Domain
Text: Rosebud

Sonntag, 21. Oktober 2018

Hummus

 
                                              "Wisch"-Technik: Hummus

Was wäre Israel ohne seine Nationalspeise?

Und die ist zweifellos Hummus: Hummus ist eine Kichererbsenpastete, die entweder als Pastete,oder - wie hier oben - mit Petersilie, festen Kicherebsen, Olivenöl und Ei serviert werden kann. Es gibt auch die Version mit Bohnen, mit Tehina (Sesam), Hackfleisch und viele weitere Kombinationen.

Hummus ist eine orientalische Spezialität, die aus pürierten Kichererbsen hergestellt wird, zu der je nach Bedarf Sesampaste (Tahina), Olivenöl, Zitronensaft, Salz und Gewürzen wie Knoblauch und Petersilie hinzugefügt werden..

Hummus ist eine beliebte Vorspeise, die mit dünnem, lappenartigem Fladenbrot aufgestippt und gemeinsam mit anderen Vorspeisen gegessen wird (siehe unten). Es zählt vor allem im Libanon (dem Ort des Ursprunges) und in Israel zur Nationalspeise, ist aber im gesamten Nahen Osten sehr beliebt. 

Wichtig ist hier vor allem die "Wisch"-Technik ("lenagev" auf Hebräisch): Da wird der Hummus mit Pitabrot "aufgewischt". Das sieht dann so aus:
http://www.youtube.com/watch?v=-DDBVVk_39Q

Und was gibt es dazu:
                                               Israelischer Salat
                                           

                                              Falafal

Im Restaurant sieht es dann so aus (Clip ist auf Hebräisch, aber man muss nicht verstehen, was gesagt wird):

http://www.youtube.com/watch?v=gzAEDJLYStQ

Satt geworden? Dann erst einmal einen türkischen Kaffee trinken:

Fotos und Text: Rosebud
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Montag, 15. Oktober 2018

Karate in Israel

 



Wenn man an Israel denkt, ist japanisches Karate eigentlich so ziemlich das letzte, was man damit assoziiert: Die unbeschwerte und informelle Lebensweise der Israelis steht im Gegensatz zu der strengen Disziplin der Japaner. Denkt man bei Israel an Kampf, dann hat man die israelische Armee im Kopf, oder Krav Maga (ein Nahkampfsport, der sich aus der Armee entwickelte), nicht aber Bruce Lee oder Jackie Chan.

Diese Namen waren 1969, als Shotokan in Israel eingeführt wurde, der Welt ein Fremdwort, ebenso wie Sushi und Manga. Die Beatles lebten noch wohlbehütet in England, das Drehbuch zu „Kung Fu“ war noch nicht geschrieben und Jet Li war gerade mal 6 Jahre alt. Von Sony hatte noch niemand etwas gehört, genausowenig wie von Ninjas. Wie hieß dieser Sport nocheinmal? Karate?

Dies alles sollte sich schnell ändern.
  


 Eli Cohen (auf dem Bild stehend, mit schwarzem Gürtel)



Eli Cohen steckt das japanische Schwert zurück in den Gürtel seines Aido-Anzugs und verbeugt sich. Wir schreiben das Jahr 2004. Der neu ernannte israelische Botschafter ist gerade in Tokyo angekommen. Als Eli 30 Jahre zuvor in seine erste Karateklasse ging, hätte er sich wohl nie vorgestellt, dass er die Leiter ganz nach oben klettern würde. Und hätte ihm jemand gesagt, dass er einmal israelischer Botschafter in Japan werden würde, hätte er wohl nur gelacht.

Shalom - und Konichiwa!




Rosebud (Bilder und Text)

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Mittwoch, 10. Oktober 2018

Trimm-Dich-Pfad: Schweizer Vita-Parcours in Israel




Ein Trimm-Dich-Pfad (in der Schweiz Vitaparcour), mitten in Israel, in Kfar Saba? »Wenn ihr wollt, ist es kein Märchen«, hat schon Theodor Herzl, der Gründer des politischen Zionismus gesagt. Und den ersten Zionistenkongress in Basel, in der Schweiz, abgehalten. 

Von dort stammt auch Guido G., der den Vitaparcours in Israel initiert hat. Dort heisst er allerdings "Shapepark". Es der erste Trimm-Dich-Pfad in Israel. Mitfinanziert und gesponsort wurde sowohl von der Schweiz als auch von der Stadt Kfar-Saba, die auch das Gelände im "Grünen Kfar-Saba" (so der Name der Nachbarschaft) zur Verfügung stellte. Die Schweizer "Stiftung Vitapar­cours" ist offizieller Namensträger.

Kommen kann jeder fast jederzeit (der Park ist den ganzen Tag offen, und am Abend beleuchtet), Parkplätze gibt es kostenlos, und auch Trainer, die verschiedene Gruppen (Kinder, Rentner, Profisportler) leiten. Für alle, die lieber ohne Trainer trainieren, gibt es Schilder, die die korrekte Benutzung der auf dem Naturgelände verteilten Geräte mit Bild erklären.

Kurzum: Man muss nicht in die Schweiz fahren, um einen waschechten Vitaparcours zu erleben!

Text: Rosebud
Bild: Public Domain

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Sonntag, 7. Oktober 2018

Ein jüdischer Stand-Upist namens Christian



 
                                                    Circumcize me: Yisrael Campbell

"Als sie mir sagten, dass ich noch einmal eine Beschneidung über mich ergehen lassen muss, antwortete ich: 'Von mir aus. Aber wisst nur, dass drei Beschneidungen nicht Regeln einer Religion sind - DAS ist ein FETISCH"
(Yisrael Campbell, aus "Circumsize me")

Der 1963 als Christian Campbell in Philadelphia geborene Comedian hat in der Tat drei Beschneidungen über sich ergehen lassen - denn er trat dreimal zum Judentum über; Einmal Reform, einmal Konservativ, und dann Orthodox. Doch er nimmt es gelassen, mit Humor - und hat darauf seine Karriere als Stand-Up-Komiker aufgebaut.

So meinte der seit dem Jahr 2000 in Jerusalem lebende Campbell über Sicherheitskontrollen bei Flügen von Israel: 

"Die Sicherheitsleute sehen einen orthodoxen Juden mit Kaftan, Schäfenlocken und Bart vor sich, auf dessen Pass der Name 'Christian' steht. Da fragen die erst gar nicht, ob ich selber gepackt habe. Sie wollen wissen, wo die Bombe ist!"

Ob er - wie der Zahnarzt bei "Seinfeld" - wegen der jüdischen Witze übergetreten ist, ist unbekannt. Was er mit dem fiktiven Zahnarzt gemeinsam hat, ist die Tatsache, dass er "Witz-Immunität" der drei monotheistischen Religionen hat, denn der als Katholik geborene ("ich war so gläubig, dass ich übergetreten bin, um der Hölle zu entkommen") Campbell war mit einer ägyptischen Muslime liiert, bevor er zum Judentum übertrat - dazu meinte er einst: Die Geschichte vom Pessach-Fest über den Auszug aus Agypten führte bei uns immer zum Streit - sie war für "Team Pharao", ich für "Team Moses"...

Aber auch das Judentum bekommt - siehe oben - oft sein Fett ab. So meinte er über Chanukah: "Da zündet man die zweite Kerze vor der ersten an, damit man auf die Gefühle EINER KERZE Rücksicht nimmt! Ach, wie oft denke ich - 'warum bin ich keine Chanukakerze?'"

Inzwischen ist Yisrael Campbell gut in Israel eingelebt, verheiratet und hat Kinder - und auch das ist Teil seiner Routine: "Grösse 0 für Babykleidung - wenn das Baby 0 Kilo wiegt, braucht es vielleicht gar keine Kleidung, oder?" Zudem scheut er sich nicht vor politischen Themen, und war u.a. Teil der sehr erfolgreichen "Israeli-Palestinian Comedy Tour".

Zum Abschluss die neueste Erfindung von Yisrael Campbell: Das J-Phone ("what, you don't come with a bottle of Schnapps?") - na dann, L'Chaim! Auf den jüdischen Humor!

Bild: Public Domain
Text: Rosebud

Mehr Sketche von Yisrael Campbell gibt es auf der Rosenduft-Facebook-Seite

Dienstag, 25. September 2018

Israel feiert Sukkoth


 


Die 10 Busstage sind vorbei, und auch das Fasten und um Versöhnung bitten.

Am Sonntagabend fing Sukkot an, das Laubhüttenfest, das eine ganz andere Stimmung beschreibt: Man sitzt eine Woche lang in der Laubhütte, feiert, singt, isst gute Speisen und trinkt guten Wein - und ist vor allem eines: fröhlich. Denn es ist ein religiöses Gebot, in dieser Zeit glücklich zu sein, unbeschwert.

Natürlich hat das Fest - wie die meisten Feste - sowohl eine spirituelle als auch eine landwirtschaftliche Bedeutung, in diesem Fall der Beginn der Regenzeit, auf die man sich in Israel ganz besonders freut - alles grünt und wächst und blüht, ein wahrer Gaumenschmaus für die Augen.

Auch die vier Arten haben sowohl spirituelle als auch landwirtschaftliche Bedeutung - so symbolisieren sie Augen (Myrthen), Mund (Bachweidenzweige), Rückgrat (Palmzweig) und - am wichtigsten - das Herz (Etrog, eine grosse Zitrone). Hier ein Bild des Herzens:

Das Bild ist vom Film "Ushpizin", der zur Zeit von Sukkoth spielt - "Ushpizin" sind die heiligen Gäste, die man sich in die Laubhütte einladen soll. Leider sind im Falle von Moshe Belanga und seiner Frau diese Gäste alles andere als heilig - sie sind nämlich entflohene Straflinge, die Moshe aus seinem früheren, nicht religiösem Leben kennen.

Wie das alles ausgeht, welche Rolle der Etrog spielt, den die beiden da halten, und was es mit der gestohlenen Sukkah auf sich hat - das wird hier nicht verraten. 

 Bis dann: Chag sameach/ fröhliches Sukkot!

Bilder: Public Domain
Text: Rosebud

Sonntag, 16. September 2018

Jom Kippur

                                                      Jom Kippur in Israel

Am Dienstagabend beginnt in Israel (und der jüdische Welt) Jom Kippur, der höchsten Feiertag des jüdischen Jahres. Er endet Mittwochnacht. Es ist dies der "Tag der Versöhnung", ein Tag der in der Synagoge verbracht wird, wo man den ganzen Tag fastet und in sich kehrt, sowie sich den Dialog mit dem Ewigen widmet.

In Israel ist es auch "autofreier Sonntag (bzw. Samstag)": Es hat sich eingebürgert, dass das ganze Land für 25 Stunden Pause macht - Restaurants und Geschäfte sind alle geschlossen, öffentliche Verkehrsmittel fahren nicht, und - und das ist eine einzigartige Erfahrung! - es hat sich eingebürgert, dass kein einziges Auto fährt. Für die Bevölkerung Israels (und Touristen, die zu dem Zeitpunkt im Lande sind) ist das ein Happening: Kinder fahren überall mit dem Fahrrad, und Menschen gehen fröhlich auf den Autobahnen und den befahrensten Straßen der Städte spazieren. Dabei atmen sie - wie das Umweltministerium jedes Jahr feststellt - eine bis zu 90% weniger verschmutzte Luft ein...

Kurzum: Jom Kippur ist ein Feiertag, den man auf verschiedenste Weise begehen kann, der aber in Israel eine Atmosphäre schafft, die seinesgleichen weltweit sucht.

In diesem Sinne: Gmar Chatima Tova, also ein schöner Abschluss von Jom Kippur!

Bild und Text: Rosebud 

Sonntag, 26. August 2018

Goldmedaille und Weltrekord, Made in Israel

                                              Bild: Public Domain


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Mittwoch, 15. August 2018

Lithurgische Gesänge zu Morgengrauen

                                           
             Slichot-Gebet

Seit Anfang dieser Woche befinden wir uns im jüdischen Monats Elul (des letzte Monat des jüdischen Jahres). Und da ist es Tradition, bei Morgengrauen die sogenannten Slichot-Gebete zu singen.

 Bei den Slichot-Gebeten handelt es sich um sogenannte "Piyutim" - das sind lithurgische Gedichte aus dem Mittelalter oder älter, die sich oft reimen, und manchmal in alphabetischer Reihenfolge geschrieben werden, und die später in Musik gesetzt werden. Sie heiligen den Namen des Ewigen und bitten gleichzeitig um Vergebung für das sündenvolle und unbescheidene Leben des letzten Jahres.

Bei den Sepharden werden die Slichot um 5 Uhr früh,also vor Sonnenaufgang und dem Morgengebet, gebetet, während bei den Ashkenazen es spät am Abend, meist nach Mitternacht gebetet werden. Und so sieht man in religiösen Gegenden wie z.B. Nachlaot in Jerusalem oft um 4:30 einen Mann mit einer Glocke durch die Nachbarschaft gehen, der mit Geklingel und "Slichot, Slichot" die Leute aufweckt.

Trotz des Ernst dieser Gebete und des damit verbundenen Insichgehens ist es aber eine wunderschöne Tradition, wo man die Möglichkeit hat, wunderschöne Melodien zu hören und zu singen, und oft wird süßer Tee und Süßigkeiten serviert, um die späten Nacht- oder frühen Morgenstunden zu versüßen.

In letzten Jahren ist es Tradition geworden, dass auch Nicht-Religiöse Slichot-Touren durch religöse Gegenden machen - das sind meist Nachttouren, wo man verschiedenen Nachbarschaften und Synagogen verschiedener Gemeinden sieht - und vor allem hört. Hier ein Beispiel für zwei Slichot-Piyutim, wunderschön vorgesungen von Lior Amendy.

Ein weiterer Trend ist es, dass bekannte israelische Sänger Slichot-Piyutim neu vertonen - hier Meir Banai sel. And., der "El Nora Alila" (wie schlimm sind unsere Taten) singt, dessen zweite Zeile heisst "himza lanu mechila be-shaat ha-Neila" (vergebe uns, wenn sich die Pforten schließen), wobei die Pforten des Himmels gemeint sind, die sich beim Schlussgebet von Jom Kippur, dass auch so heisst -Neila - schließen.

Wir wünschen allen Lesern ein Shana Tova u-Metuka (ein gutes und süßes Neues Jahr), und dass der Adon HaSlichot, der Vater der Slichot, die Gebete erhöhern möge.

Bild: Public Domain
Text: Rosebud

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Montag, 13. August 2018

Kulinarisches aus Israel: Den Tag mit "Sabich" beginnen...

                                           Sabich - ein Festival der Sinne am Morgen

Es gibt wenige genüßlichere Dinge, als den Tag mit einem Sabich anzufangen: Das ist ein Pita-Sandwich mit hartgekochten Eiern, Kartoffeln, frischen Tomaten, Gurken und Petrosilia, einer pikanten Sauße namens Amba (Hartgesottene fügen ihr noch das jemenitische Schuk hinzu, bei dem im Vergleich Chilischoten fade schmecken), Hummus, Tahina - und als Abrundung dieser Geschmacksbombe Auberginen (siehe Bild oben).

Über den Ursprung des Sabichs streiten sich die Geister - und das fängt schon beim Namen an: Nach einer Theorie leitet sich das Wort "Sabich" von "Sabach", Arabisch für "Morgen" ab ("Sabach al-Chair" heißt "Guten Morgen). Und tatsächlich ist sein Ursprung sowohl in der arabischen Welt, als auch im Morgen - niemand würde auf die Idee kommen, Sabich zum Abendbrot zu haben.

Nach einer anderen These ist Sabich ein Akronym für "Salat" (Salat), "Beizah" (Ei) und "Chazil" (Aubergine). Und dies sind auch tatsächlich die wichtigsten Zusatzstoffe des Sabichs.

Oder aber es ist viel einfacher: Der erste Kiosk, der Sabich in Israel servierte, gehörte einem irakischen Juden namens Sabich Chalabi (in Israel änderte er seinen Vornamen zu "Zwicka"), der seit 1958 in Ramat-Gan die nach ihm benannte Delikatesse servierte. Sein Geschäftspartner hieß Jakob Sasson, und dessen Sohn Dudi serviert immer noch Sabich, und zwar in einer kleinen Imbißbude auf Ha-Roeh-Straße 129 in Ramat-Gan, nah beim ersten Sabich-Stand.
                                           Sabich: Ursprung unbekannt

Auch was die Geschichte des Sabichs betriffts, streiten sich die Geister: Ein genaues Ursprungsjahr kennt niemand. Als Ursprungsland wird meist Irak genannt, es könnte sich aber auch um Ägypten oder Syrien handeln. Was klar ist, ist dass es sich um einen Shabbat-Snack der Juden dieser Länder handelte: Die Eier, Kartoffeln und Auberginen wurden vor Shabbat gekocht, und dann auf eine Warmhalteplatte oder Herd gestellt, wo sie die ganze Nacht warm gehalten wurde. In der Früh, vor der Synagoge, wartete dann ein dampfend heißes Frühstückssandwich.

Und heute? Fast alle Juden des Nahen Ostens, einschließlich der Sabich-produzierenden Ländern, leben in Israel. Und Sabich wird hauptsächlich während der Woche, in kleinen Kiosken und Imbißbuden serviert - und der angenehme Duft läßt einem von weit weg das Wasser im Mund zusammenlaufen.

Die Zubereitung sieht so aus:
                                             Sabich-Zubereitung

Na dann: Guten Morgen - und guter Appetit!

Bilder und Text: Rosebud

Dienstag, 7. August 2018

Lippa Schmelzer, chassidischer "King of Pop"

                                                                      Lippa Schmelzer

Channukah geht gerade vorbei, doch nicht ohne ein Lied des Superstars am chassidischen Pop-Himmels, Lippa Schmelzer: Believe in a miracle heißt es - glaube an ein Wunder...

An Wunder kann man bei Lippa schnell glauben: Der erst 34-jährige Lippa Schmelzer ist Sohn eines ungarischen Holocaustüberlebenden, der auf dem sogenannten "Kastner-Zug" überlebte und nach dem Krieg ein neues Leben anfing, was auch hieß, 12 Kinder in die Welt zu setzen. Trotz dieser schrecklichen Zeit verlor Lippas Vater den Glauben nie, und erzog seine Kinder, die alle in New York geboren wurden, in der chassidischen Welt, in der er vor der Shoah aufwuchs.

Lippa, der nie musikalisches Training erhielt, bewies sich schon sehr früh als Naturtalent, und er gab Konzerte auf Bar-Mitzwahs und auf Hochzeiten, bei denen es rund ging! Chassidische Lebensfreude eben!

Bald zeigte sich, dass er nicht nur traditionelle Klänge von sich geben kann, sondern auch modernen Stil mit traditionellen Themen mischen kann. Und so ist nach seinen inzwischen 10 Alben klar, dass er sich den Namen "chassidische Lady Gaga" (siehe Videoclip) und "chassidischer Elvis" (siehe Videoclip) redlich verdient hat.

Seitdem ist er DER Superstar, nicht nur am chassidischen Musikhimmel, sondern auch am allgemeinen Pop-Himmel - Konzerte gibt er überall von Sao Paolo über China bis natürlich Amerika und Israel. Die Fans geraten bei den Konzerten fast immer in Extase, die den Beatles Konkurrenz machen könnte.

Wie sehr er die verschiedene Welten von Chassidismus, Diaspora und säkularem Israel in sich vereinen kann, zeigt sein wohl bekanntestes Lied - ein richtiger Partyschlager mit dem Titel "Mizrach", das eine Hommage an den "Nachal ha-Charedi" ist, eine Kampfeinheit chassidischer Juden - und Lippa Schmelzer wirft sich mit Armeeuniform selbst in Schale. Siehe hier:


                                                Mizrach: Der chassidische Party-Hit

Wenn Lippa also nach seiner Welt-Tour wieder zurück in die von ihm selbst gebaute Synagoge geht, und zurück zu Frau und vier Kindern, dann wird es viel zu berichten geben...

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Bilder: Public Domain
Text: Rosebud