Sonntag, 2. November 2025

Ein Orgelbauer in Israel: Gideon Shamir (1939-2025)

 

                                                             Gideon Shamir sel. And


Vor kurzem verstarb, Gideon Shamir, Gründer der einzigen Orgelwerkstatt in Israel. Mehr als die Hälfte seines Lebens widmete er sich dem Bauen von Orgeln in Israel, bevor er im Alter von 82 Jahren die Leitung seiner Werkstatt Uri Shani übergab, der sie bis heute leitet.

Ich brauchte 10 Jahre, um mich selbst als Orgelbauer zu bezeichnen...

...sagte Shamir damals. Aber, fügte er hinzu, ich kann nicht verlangen, dass mein Nachfolger wartet, bis ich 92 Jahre alt werde, um sich selbst Orgelbauer zu nennen.

Gideon Shamir wurde am 9. November 1939 in Tel Aviv geboren. Sein Vater war Max Shamir, einer der beiden „Shamir-Brüder“, berühmte Grafikdesigner, die unter anderem das Emblem des Staates Israel entwarfen. 

Anfangs war er Musiker, und war bereits im zarten Alter von 14 Jahren im israelischen Radio zu hören (er spielte ein Stück von Felix Mendelsson-Bartholdy auf dem Klavier). Später ging er nach England, wo er der Klavierspieler der Synagoge "London Jewish Congregation" war, und an Hohen Feiertagen Orgel spielte:

                                               ein junger Gideon Shamir

Die Liebe zur Orgel sollte ihn sein Leben lang begleiten, auch als er 1963 nach Israel zurückkehrte.
Am letzten Tag des Sechs-Tage-Krieges (1967) heiratete er. Ein Jahr später (1968) baute Gideon Shamir seine erste Orgel.

                                                          1968. Gideon Shamirs erste Orgel. Die erste von vielen.

Die jüdische Orgel

Wenn man an Orgel denkt, denkt man fast immer an Kirchen in Europa. Dies ist aber ein Mythos, eines, das Gideon Shamir sein ganzes Leben lang versuchte zu zerstören, und bis heute tut das auch sein Nachfolger, Uri Shani (der u.a. einen Workshop mit dem Titel "die jüdische Orgel" gibt)

Erst einmal ist die erste dokumentierte Orgel auf fast 300 Jahre vor der Zeitrechnung (also vor dem Jahr, das als Geburtsjahr Christus gilt) dokumentiert, es handelt sich um die "Hydraulis", gebaut von Ktesibios, einem Ingenieur in Alexandrien (Ägypten). Es gab also weder Kirchen noch war das in Europa.

Die Kirche - und DER Komponist von religiösen Fugen für Orgel, Johann Sebastian Bach natürlich - ADOPTIERTEN die Orgel, und machten sie sich zu eigen. Aber sie haben sie weder erfunden, noch waren und sind sie die einzigen, die sie spielen.

So war sie jahrhundertelang Teil von Synagogen und jüdischer Musik in Europa. Die Orgel begleitete jüdische Kantoren und Synagogenchore - und tut es teilweise immer noch. In einem Interview (englische Untertitel) erwähnt Gideon Shamir auch die Synagoge von Bagdad, die eine Orgel hatte.

Und so überrascht es nicht, dass Gideon Shamir als eines seiner ersten Projekte eine Orgel für die große Synagoge in Tel Aviv plante. Leider wurde das Projekt letztendlich nicht realisiert - aber das Modell der geplanten Synagogen-Orgel ist bis heute in der Orgelwerkstatt in Juwalim zu sehen.

                                             Große Synagoge Tel Aviv. Leider ohne Orgel

Don Qixote und Sancho Panza


                                                        Uri Shani                    Gideon Shamir

Bei Gideon Shamirs Beerdigung sagten beide Töchter über ihn (ohne dass sie sich absprachen), dass er eine Art "Don Quixote" war. Gideon Shamir, der sehr schlank und groß war, hatte auf jeden Fall das Aussehen dazu.

Und es auch von der Essenz etwas wahres daran: Er widmete sich sein ganzes Leben einem Handwerk, das immer weniger Menschen ausübten, und noch dazu in einem Land, in dem die Hauptkundschaft (katholische Kirchen) fehlte.

Aber es stimmt auch nicht: Denn Gideon Shamir baute viele und sehr eindrucksvolle Orgeln, u.a. für das Hecht-Auditorium in der Haifa Universität, die Generationen von Musikliebhabern eine schwer zu beschreibende Freude gab. Sein Leben war nicht nur ein endloser Kampf gegen Windmühlen, sondern auch eines, das von vielen Erfolgserlebnissen gekrönt war.

Zudem meinte Uri Shani in einem Radiointerview kürzlich: "Wenn Gideon Don Quixote war - dann macht das ja mich zu Sancha Panza!" Die KI stellt sich das ungefähr so vor:


FAQ 

Last but not least einige oft gefragten Fragen, und Gideon Shamirs schlagfertige Antworten:

- Wieviel kostet es, eine Orgel zu bauen? Sehr viel!
- Wie lange dauert es, eine Orgel zu bauen? Je länger, desto besser!

Und zum Schluß eine Frage an Gideons Nachfolger Uri Shani:
- Was ist ein Register? Und was ist das geheime, zusätzliche Register?

Die Antwort gibt es in der Orgelwerkstatt, benannt nach Gideon Shamir, und geleitet von Uri Shani. Und wahrscheinlich lächelt Gideon Shamir sel. And. von oben herunter, wenn er sieht, wie seine Orgelwerkstatt viele Besucher anzieht, und von ihm gebaute Orgeln ein Stück himmlische Musik auf Erden zeigen.


Text: Rosebud
Bilder: AI (Don Qixote und Sancha Panza), Public Domain (Große Synagoge), alle anderen: Bebilderte Biographie Gideon Shamirs  auf der Webseite von Ugavim

Sonntag, 26. Oktober 2025

20 Jahre ohne ihn: Ephraim Kishon (1924-2005)

 

 


                                                           Ephraim Kishon sel. And.

Hebräisch kann man nicht lernen.


"Hebräisch kann man nicht lernen. Es ist unmoglich! Das weiss ich jetzt nach vielen Jahrzehnten im Lande. Warum ich es trotzdem gelernt habe? Weil ich damals nicht wusste, dass es unmoglich ist..."

Das Zitat ist von DEM israelischen Satiriker schlechthin, von Ephraim Kishon. Ende August hätte er seinen 99. Geburtstag gefeiert...


"Willkommen im Venedig des Nahen Ostens" 


Das ist natürlich aus einem von Kishons bekanntesten Büchern, das er auch selbst verfilmt hat - der Blaumilchkanal. Hier fängt ein aus der Irrenanstalt Entlaufener einfach an, in der Mitte von Tel Aviv ein Loch zu bohren - und jeder denkt, das es natürlich ein ganz offizielles Stadtprojekt ist, bis dann Tel Aviv tatsächlich vom Mittelmeer überschwemmt wird, während der Bürgermeister es als "Venedig des Nahen Ostens" bezeichnet.

Hier zeigt sich Kishon als Satiriker schlechthin, der die Bürokratie des jungen Staaten mit einer kräftigen Portion Humor auf die Schippe nimmt. Herrlich, wie beispielsweise die Anwohner auf der Polizeistation wie bei einer Symphonie den Lärmpegel des Bohrens beschreiben, bis sogar der Polizist mitsingt...

"Hier, nimm diesen geschlossenen Umschlag.
- Aber woher weiss ich dann, wen ich wähle?
- Weisst du nicht. Das ist eine Geheimwahl, daher heisst es ja Demokratie..."

Dieser Austausch ist von Sallah Shabati,Hauptfigur im Film "Sallah – oder: Tausche Tochter gegen Wohnung". Es ist die Szene, wo die politischen Funktionäre versuchen, den Neueinwanderer Sallach zu bestechen - hier die Szene, wo er als "Meinungsmacher" erkoren wird.

Der Film ist inzwischen ein absoluter Kultfilm, der wie kaum ein anderer Themen, die bis heute nichts an Aktualität verloren haben (orientalische vs. europäische Juden, politische Korruption, Neueinwanderer vs. Sabres, Kibbutzim vs. Stadt, etc.) auf augenzwinkernde Weise thematisiert. Haim Topol, der die Hauptrolle spielt, war nebenbei nur 29 Jahre alt, also halb so alt wie Sallach. Und während er im hebräischen Original mit arabischen Akzent spricht (er ist Einwanderer aus einem arabischen Land wie Marokko oder Irak, im Film wird das Land nicht explizit erwähnt), hat er in der deutschen Synchronfassung ironischerweise einen jiddischen Akzent. Kishon hätte es nicht besser schreiben konnen...

Nebenbei sprach Golda Meir, damals Aussenministerin, 5 Jahre kein Wort mit Kishon oder den Schauspielern - denn im Film wurde gezeigt, wie die KKL (Jewish National Fund) denselben Waldabschnitt unterschiedlichen ausländischen Spendern als deren Spende präsentiert, indem sie das Holzschild x-mal am Tag austauschen. Die Reaktion war eine bedeutsame Reduzierung von Spenden - erst als die KKL Beton- statt Holzschilder aufstellte, ging das Vertrauen wieder zurück.


Seargant Bejarano, ich präsentiere Bo-Bo-Borekas, von meiner lieben Frau Betty zubereitet


Dieses Zitat ist von "The Policeman" (im Original "HaShoter Azulai), ein Film, der liebevoll - mit viel Humor, aber auch viel Gefühl - das Leben eines einsamen, einfach gestrickten Polizisten zeigt. Hier das Lied zum Film.

Text: Rosebud
Bild: Public Domain
Mehr zu Kishon, einschliesslich Ausschnitte seiner Filme, gibt es auf unserer Facebook-Seite

Sonntag, 19. Oktober 2025

Hummus muss es sein!

 

 
                                              "Wisch"-Technik: Hummus

Was wäre Israel ohne seine Nationalspeise?

Und die ist zweifellos Hummus: Hummus ist eine Kichererbsenpastete, die entweder als Pastete,oder - wie hier oben - mit Petersilie, festen Kicherebsen, Olivenöl und Ei serviert werden kann. Es gibt auch die Version mit Bohnen, mit Tehina (Sesam), Hackfleisch und viele weitere Kombinationen.

Hummus ist eine orientalische Spezialität, die aus pürierten Kichererbsen hergestellt wird, zu der je nach Bedarf Sesampaste (Tahina), Olivenöl, Zitronensaft, Salz und Gewürzen wie Knoblauch und Petersilie hinzugefügt werden..

Hummus ist eine beliebte Vorspeise, die mit dünnem, lappenartigem Fladenbrot aufgestippt und gemeinsam mit anderen Vorspeisen gegessen wird (siehe unten). Es zählt vor allem im Libanon (dem Ort des Ursprunges) und in Israel zur Nationalspeise, ist aber im gesamten Nahen Osten sehr beliebt. 

Wichtig ist hier vor allem die "Wisch"-Technik ("lenagev" auf Hebräisch): Da wird der Hummus mit Pitabrot "aufgewischt". Das sieht dann so aus:
http://www.youtube.com/watch?v=-DDBVVk_39Q

Und was gibt es dazu:
                                               Israelischer Salat
                                           

                                              Falafal

Im Restaurant sieht es dann so aus (Clip ist auf Hebräisch, aber man muss nicht verstehen, was gesagt wird):

http://www.youtube.com/watch?v=gzAEDJLYStQ

Satt geworden? Dann erst einmal einen türkischen Kaffee trinken:

Fotos und Text: Rosebud

Sonntag, 5. Oktober 2025

Israel feiert Sukkoth

 

 

 


 


Die 10 Busstage sind vorbei, und auch das Fasten und um Versöhnung bitten.

Am Montag Abend fängt Sukkot an, das Laubhüttenfest, das eine ganz andere Stimmung beschreibt: Man sitzt eine Woche lang in der Laubhütte, feiert, singt, isst gute Speisen und trinkt guten Wein - und ist vor allem eines: fröhlich. Denn es ist ein religiöses Gebot, in dieser Zeit glücklich zu sein, unbeschwert.

Natürlich hat das Fest - wie die meisten Feste - sowohl eine spirituelle als auch eine landwirtschaftliche Bedeutung, in diesem Fall der Beginn der Regenzeit, auf die man sich in Israel ganz besonders freut - alles grünt und wächst und blüht, ein wahrer Gaumenschmaus für die Augen.

Auch die vier Arten haben sowohl spirituelle als auch landwirtschaftliche Bedeutung - so symbolisieren sie Augen (Myrthen), Mund (Bachweidenzweige), Rückgrat (Palmzweig) und - am wichtigsten - das Herz (Etrog, eine grosse Zitrone). Hier ein Bild des Herzens:

Das Bild ist vom Film "Ushpizin", der zur Zeit von Sukkoth spielt - "Ushpizin" sind die heiligen Gäste, die man sich in die Laubhütte einladen soll. Leider sind im Falle von Moshe Belanga und seiner Frau diese Gäste alles andere als heilig - sie sind nämlich entflohene Straflinge, die Moshe aus seinem früheren, nicht religiösem Leben kennen.

Wie das alles ausgeht, welche Rolle der Etrog spielt, den die beiden da halten, und was es mit der gestohlenen Sukkah auf sich hat - das wird hier nicht verraten. 

 Bis dann: Chag sameach/ fröhliches Sukkot!

Bilder: Public Domain
Text: Rosebud

Sonntag, 28. September 2025

Autofreier Tag: Jom Kippur

 

 

 

 
                                                      Jom Kippur in Israel

Am Mittwoch Abend beginnt in Israel (und der jüdische Welt) Jom Kippur, der höchsten Feiertag des jüdischen Jahres. Er endet Donnerstag Nacht. Es ist dies der "Tag der Versöhnung", ein Tag der in der Synagoge verbracht wird, wo man den ganzen Tag fastet und in sich kehrt, sowie sich den Dialog mit dem Ewigen widmet.

In Israel ist es auch "autofreier Tag": Es hat sich eingebürgert, dass das ganze Land für 25 Stunden Pause macht - Restaurants und Geschäfte sind alle geschlossen, öffentliche Verkehrsmittel fahren nicht, und - und das ist eine einzigartige Erfahrung! - es hat sich eingebürgert, dass kein einziges Auto fährt. Für die Bevölkerung Israels (und Touristen, die zu dem Zeitpunkt im Lande sind) ist das ein Happening: Kinder fahren überall mit dem Fahrrad, und Menschen gehen fröhlich auf den Autobahnen und den befahrensten Straßen der Städte spazieren. Dabei atmen sie - wie das Umweltministerium jedes Jahr feststellt - eine bis zu 90% weniger verschmutzte Luft ein...

Kurzum: Jom Kippur ist ein Feiertag, den man auf verschiedenste Weise begehen kann, der aber in Israel eine Atmosphäre schafft, die seinesgleichen weltweit sucht.

In diesem Sinne: Gmar Chatima Tova, also ein schöner Abschluss von Jom Kippur!


Bild und Text: Rosebud 

Sonntag, 21. September 2025

Guter Rutsch! Schana Towa!

 

 

 


Guter Rutsch? Neues Jahr? Ist das nicht ein bißchen früh?


Nein, ist es nicht: Denn das jüdische Jahr fängt Montag Abend an. Es heißt "Rosh Hashana" (wörtlich: "Kopf des Jahres") und wird nach dem Mondkalender berechnet. Man wünscht sich dann "Shana Tova" (hebr. Gutes Jahr).

Rosh Hashana lautet die "10 Busstage ein", die am 10. Tag mitYom Kippur (Tag der Versöhnung) enden. Es wird sowohl beim Ewigen als auch bei den Mitmenschen um Verzeichung für die Sünden des Vorjahres gebetet und gebittet, und man versucht, sich dieses Jahr besser zu halten.  
An Rosh Hashana selbst ist es Brauch, zu einem Fluß zu gehen, wo man Brotstücke - die die Sünden symbolisieren, ins Wasser wirft, und hofft, dass die Strömung nicht nur die Brotstücke, sondern auch die sündhaften Tendenzen wegspült. Dieser Brauch heißt Taschlich (Wegwerfen, d.h. Wegwerfen der Sünden) Bei sehr Religiösen kann dann folgendes passieren:
                                           Neulich, beim Taschlich

Schofar - scho gut?


Eine weitere Tradition, ist es, den Shofar zu blasen: Der Shofar ist ein Widderhorn, dessen Ton durch Körper und Seele dringt - und das ist auch die Idee dahinter. Es ist dies ein letzter Aufruf zur Besserung, zu einem besseren Verhalten in diesem Jahr. Im Hebräischen kommt das Wort "Shofar" auch von derselben Wurzel wie "Shipur", Verbesserung. Dazu kann man dann sagen:

Und so hört sich der Shofar an

Schließlich ist es Brauch, Äpfel in Honig zu tauchen. Damit symbolisiert man ein fruchtvolles Jahr (im wahrsten Sinne des Wortes) sowie ein süßes Jahr. Das ist es auch, was man sich am meisten wünscht: Shana Tova u-metuka (ein gutes und SÜSSES Jahr).

Auch wir von Rosenduftgarten wünschen allen Lesern ein gutes und süßes jüdische Neujahr!

SHANA TOVA u-METUKA


Bilder: Public domain
Text: Rosebud

Sonntag, 14. September 2025

Auf was warten wir? Auf Waiting, das Lied für alle Wartenden

 

 

                                                  Vom Video-Clip zu Naama Chetrits "Waiting"


Nichts kann diese Zeit besser zusammenfassung als das Wort "Waiting":

- wir warten, dass der Sommer und diese schreckliche Hitzewelle endlich vorbei sind

- wir warten auf Wahlergebnisse und politische Umstürze

-wir warten, dass sich die politische und wirtschaftliche Situation stabilisiert

- wir warten, dass die Kriege - in der Ukraine, in Israel, weltweit - endlich vorbei sind

- wir warten, dass es wieder so wird, wie es war, oder zumindest - nicht noch schlimmer wird, als es ist

KURZUM: WAITING

Bis das Warten vorbei ist, träumen wir mit offenen Augen



stellen alles auf den Kopf


und hoffen, dass wir mit einem Lächeln aufgeweckt werden




Bilder: Youtube

Text: Rosebud

Links zum Lied und zu Naama Chetrit gibt es auf unserer Facebook-Seite