Sonntag, 27. März 2022

Ein Orgel-Bauer in Israel

  

                                       Uri Shani, neuer Leiter der Orgelwerkstatt in Yuvalim, Galiläa, Israel


Ein Traum

"Mein Traum ist es, eine Orgel zu bauen - von der ersten Skizze bis zur wunderschönen Musik, die aus den Pfeifen klingen wird", so sagt Uri Shani, der ab 2022 die einzige Orgel-Werkstatt in Israel übernimmt (bis dato wurde sie jahrzehntelang von Gideon Shamir geleitet).

Shani, gebürtiger Schweizer und in seinem bisherigen Leben als Übersetzer, Theaterregisseur und -lehrer, Journalist und politischer Aktivist (nicht unbedingt in der Reihenfolge) aktiv, hat eine familiäre Beziehung zur Orgel: Der Vater seiner Urgroßmutter Johanna Manheimer geb. Sarasohn war Jakob Sarasohn, der Oberkantor der Synagoge Stettin. Er arbeitete mit dem Rabbiner Vogelstein und dem Organisten Lehmann, und komponierte auch für die Orgel. Uris Urgroßmutter, seine Tochter, war im Mädchenchor der Synagoge, der von der Orgel begleitet wurde.

Uri selbst hat als Kind Musik gelernt, auch Orgelspielen. 

Es war Liebe - vielleicht nicht auf dem ersten Blick (oder Klang), aber dafür mit umso großer Begeisterung.

                                            Orgel, Uri Shani und Gideon Shamir (vlnr)

Das Kircheninstrument konvertiert zum Judentum - und macht Alijah

Denkt man an Orgeln, denkt man an Kirchenmusik, vor allem des Mittelalters - und an Europa. 
Vielleicht wird es Zeit, das zu überdenken - denn seit Jahrhunderten werden Orgeln auch in Synagogen benutzt, vor allem des Reformjudentums, aber auch in orthodoxen Synagogen (wo am Schabbat wegen des Verbots die Pfeifen mit einem Tuch verdeckt wurden). Denn Musik und Liturgie war und ist wichtiger Teil auch des Judentums.

Auch ist die Orgel seit langem nicht nur exklusiv europäisch. Die "neue Welt" (Amerika) erobert sie bereits seit 100 Jahren, und den Nahen Osten. In Israel gibt es bereits Dutzende Orgeln, meist in Kirchen, aber nicht nur. 

Und es gibt nur einen einzigen Orgel-Bauer in Israel - und das war für ein halbes Jahrhundert Gideon Shamir, und ist jetzt Uri Shani.

Eine Anekdote


In dem Video (ab 2:22, Hebräisch mit deutschen Untertitel) erzählt Gideon Shamir eine schöne Anekdote: die große Synagoge Tel Avivs (Beit HaKnesset HaGadol) hätte eine Orgel bekommen sollen. Er machte sich sehr viel Mühe, der Orgel ein jüdisches Antlitz zu geben - so waren im Modell die Pfeifen auf der rechten Seite wie die Menora (der Leuchter des Tempels in Jerusalem) angeordnet und auf der linken Seite wie die zwei Gesetzestafeln der Zehn Gebote.

Wunderschön - nur, das Projekt wurde nie ausgeführt. Warum, das kann man im Video erfahren.

Besucherzentrum



Die Orgelwerkstatt, gelegen im pastoralen Galiläa, ist etwas Einzigartiges und auf jeden Fall einen Besuch wert. Es gibt auch ein Besucherzentrum, wo Uri Shani "Kaffee we-Ugav" serviert - ein Wortspiel, denn Kaffee we-Uga ist Kaffee und Kuchen, mit dem zusätzlichen Buchstaben ist es "Kaffee und Orgel". 

Am Besten per E-Mail: abumidian@yahoo.de oder über das Kontaktformular der Webseite des Orgel-Workshops: https://ugavim.com/kesher/


Mehr zum Orgelworkshop, einschliesslich Fotos und Videos kürzlicher Workshops gibt es auf unserer Facebook-Seite

Sonntag, 20. März 2022

Das andere Bethlehem

 

                                          Templerhaus in Bethlehem ha-Galili

Im Norden Israels, in der Galiläa-Region gibt es einen Ort, der Bethlehem heißt (ja, genauso wie der Ort bei Jerusalem). Dieses andere Bethlehem wird bereits im Buch Josua (19:15), im Alten Testament, erwähnt, und gehörte zu biblischen Zeiten dem Stamm Zevulun, weswegen es ursprünglich "Bethlehem von Zevulun" hieß, im Gegensatz zu "Bethlehem von Judäa" (das Bethlehem bei Jerusalem), was zum Stamm Judäa gehörte.

Nach einer Theorie ist DIESES Bethlehem DAS WAHRE Bethlehem, also der Ort, wo Jesus geboren wurde - was geographisch Sinn machen würde, da es viel näher zu seiner Wirkungsstätte Nazareth ist als das Jerusalemer Bethlehem.

So oder so zogen 1906 Mitglieder der deutsch-christlichen Templer nach Bethlehem ha-Galili (wie es bis heute bekannt ist) und bauten dort Häuser nach deutscher Manier, also mit Stein und roten Dachziegeln. Diese Templer beteten und betrieben auch Landwirtschaft. Leider schloß sich auch die Zweigstelle Bethlehem - ebenso wie Jerusalem und Haifa - in den 30er Jahren der Nazi-Partei an, und wurden von den Engländer aus Palästina vertrieben.

Heute ist Bethlehem ha-Galili ein pastoraler Moshav (landwirtschaftliche Siedlung), wo noch immer ein paar Templer-Häuser stehen, die an diese Zeit erinnerte. Es ist ein pastoraler Ort mit einer wunderschönen Aussicht, viel Grün (vor allem im Herbst) und wirklich eine Augenweide. Auf jeden Fall einen Besuch wert!

Hier ein paar Bilder:

                                          Templer-Haus


                                          die sehr ruhige Hauptstraße


                                             Spaziergang im Dorf

Bilder und Text: Rosebud

Sonntag, 13. März 2022

Fröhliches Purimfest!

 

 

 


Ab Mittwoch Abend und Donnerstag den ganzen Tag (in Jerusalem Donnerstag Abend und Freitag den ganzen Tag) wird in Israel und der jüdischen Diaspora Purim gefeiert.


Hier etwas Hintergrund:


Das Purimfest (von hebräisch Pur = Los) wird am 14. Adar des Jüdischen Kalenders,. Purim ist ein Fest, das an die Errettung des jüdischen Volkes aus drohender Gefahr in der persischen Diaspora erinnert. Haman, der höchste Regierungsbeamte des persischen Königs, hatte damals vor, die gesamten Juden im Perserreich an einem Tag zu ermorden. Königin Ester führt jedoch durch Fasten und Gebet die Rettung herbei.

In der Synagoge wird aus diesem Anlass gefeiert, wobei es meist nicht übermäßig ernst zugeht; der ganze Ablauf zielt auf Freude. Dabei wird auch die Festrolle des Buches Ester vorgelesen.
 Vorlesen der Esther-Rolle

Immer wenn der Name Haman fällt, wird von den Anwesenden Tuten, Rasseln und Ratschen so viel Lärm wie möglich gemacht. Dies beruht auf dem religiösen Befehl den Namen Amaleks, Hamans Vorfahr, zu löschen, nachdem Amalek Israel auf dem Weg zum Gelobten Land behindert hat. Sein Name wurde damit zum Symbol der Judenfeindschaft.

Weitere Traditionen sind die Verkleidung, Almosen geben sowie so viel Alkohol zu trinken bis "Adladya", d.h. bis man nicht mehr unterscheiden kann zwischen den Guten und den Bösen der Geschichte. 

In religiösen Gegenden gibt es zudem einen "Purim-Tisch", wo der chassidische Rabbi mit seinem Gefolge singt und tanzt - es geht rund!

Wie das ganze dieses Jahr ausschaute? Das wird man bald auf unserer Facebook-Seite sehen.
Bilder und Text: Rosebud

Montag, 7. März 2022

MyHeritage - High-Tech und Familienstammbaum

 

 

                                            My Heritage Hauptquartier in Or Jehuda, Israel


Or Jehuda

Or Jehuda ist eine verschlafene Kleinstadt südlich von Tel Aviv. Im Gegensatz zu Tel Aviv, Jerusalem und Haifa hört man weder im Ausland noch in Israel selten von ihr, und wenn, dann eher Kurioses, wie die Verbrennung von Neuen Testamenten oder die Partnerstadt in Deutschland - Charlottenburg-Wilmersdorf (ja, Or Jehuda hat es nicht einmal geschafft, eine ganze Stadt als Partnerstadt zu haben, stattdessen muss sie es mit einem Stadtteil von Berlin vorlieb nehmen)

Jedoch hat Or Jehuda nicht nur eine lange und interessante Stadtgeschichte, sondern leistet auch Pionierarbeit - so war es eine der ersten Städte, die mit der Bar-Ilan Universität ein Mathematikprogramm für talentierte Gymnasiasten entwickelte (die Kurse an der Uni nehmen können). Auch ist mit Babylon eine der führenden Software-Firmen für Ubersetzung in Or Jehuda.

Ja, und dann ist da MyHeritage.


Israelische Chutzpe und deutsche Gründlichkeit


Wir schreiben das Jahr 2004. Gilad Japhet, der ein Jahr zuvor MyHeritage, eine Geneologie-Webseite in Or Jehuda gegründet hat, fliegt zu einer deutschen Start-Up-Firma nach Dresden, die eine Gesichtserkennungs-Software entwickelt hat. Der deutsche Gründer ist bereit, sie für 250.000 Euro zu verkaufen. "Ich biete Ihnen dafür 0 an", sagt Japhet - und erhält die Software.

Denn statt Geld gibt er der deutschen Start-Up, die die Software für Anti-Terror-Maßnahmen entwickelt hat, etwas viel Besseres: eine Datenbank von anonymen Gesichtern in verschiedenen Altern. "Bei uns in der Geneologie hinterlegen Menschen Fotos ihrer Oma im Alter von 6 bis 90", erzählt Japhet seinen Kollegen (und erinnert sich daran in einem Interview mit "the Marker") "und somit kann man daraus ein Alogrithmus entwickeln, mit dem man ungefähr schätzen kann, wie ein Terrorist, der beispielsweise 5 Jahre nicht gesehen wurde, heute ausschaut."

Zwischen Archivarbeit und High-Tech


MyHeritage hat ein sehr ungewöhnliches Konzept: einerseits basiert es auf Archivarbeit, alten Dokumenten und vergilbten Fotos - und, auch da sind sie Pioniere Fotografien von Grabsteinen.

Andererseits ist es eine High-Tech-Firma, die Algorithmen und in Web- und Handyversionen neuester Flash-Technologie Stammbaume entwickelt, Gen-Test analysiert, und ein Teil der "Big Data"-Revolution ist. 

Und genau die Mischung macht es! So hat MyHeritage über eine Milliarde Users weltweit, ist in 42 Sprachen erhältlich und verfügt über mehr als 6 Milliarden historische Aufzeichnungen. Vertreter von MyHeritage fahren in die entferntesten Ecken der Welt, um Stämme zu dokumentieren, die vom Aussterben bedroht sind. 

MyHeritage kauft ein

Und heute? MyHeritage hat inzwischen verschiedene Zweigstellen in Israel, und auch in Amerika. Es konnte seinen grössten Konkurrenten (Geni) aufkaufen, sowie ein Abkommen mit dem dänischen Nationalarchiv abschliessen. 2013 gewann MyHeritage den 1. Platz als eines der aussichtsreichsten israelischen Start-ups. Und heute, 2021, wurde MyHeritage von Francisco Partners für sage und schreibe 600 Millionen Dollar gekauft. Und das Potential ist noch lange nicht ausgeschöpft.

Bild: Public Domain
Text: Rosebud

Mehr dazu auf unserer Facebook-Seite 

Dienstag, 1. März 2022

German Colony - in Haifa

 

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In Haifa - wie auch in Tel-Aviv und Jerusalem gibt es sogenannte "Deutsche Kolonien" (Moshawa Germanit). Dabei handelt es sich um Gegenden, die im 19. Jahrhundert von deutschen Tempelgesellschaften, also religiösen Christen, die sich im Heiligen Land ansiedelten, erbaut worden. Wie im Bild oben ersichtlich, war die Bauweise sehr europäisch: Rotes Kacheldach und klare architektonische Formen.


Am Eingang gravierten die Templer oft biblische Zitate ein.

Und so lebten die Templer friedlich im Lande Israels, beteten viel und betätigten sich hauptsächlich der Landwirtschaft.

Bis - ja, bis die Nazis an die Macht kamen. Die Mehrheit der Templer begeisterten sich an der NSDAP und eröffneten sogar Ortsgruppen im damaligen Mandatsgebiet Palästina. Hitlerjugend im Judenstaat!

Die meisten Templer wurden in den darauffolgenden Jahren des Landes verwiesen. Ihre wunderschönen Gebäude blieben aber erhalten, und sind immer einen Besuch wert.

Bild & Text: Rosebud