Feuerwerke im Sturm
Eine
Silvestergeschichte. Basierend auf wahren Begebenheiten
Auf
dem Weg zum Lazerett
Ein
eiskalter Schneewind weht uns ins Gesicht.
„Komm,
Gefreiter Udo! Die paar Kilometer schaffen wir noch! Komm, ich trage dich ein
paar Meter. Nicht aufgeben...“
1.
Januar. 6 Uhr früh.
Endlich
zuhause angekommen. So kalt und unangenehm war es ja schon seit Jahren nicht.
Und natürlich gab es weder öffentliche Verkehrsmittel noch Taxis. Und dieser
Idiot hätte mir schon am Telefon erzählen können, dass er ein gebrochenes Bein
hat! Erst einmal ab ins Bett. NIE WIEDER SILVESTER.
31.
Dezember. 6 Uhr abends.
„Hallo,
Udo. Natürlich können wir etwas an Silvester machen. Ich hatte vor, in Pasing in
eine Bar zu gehen, wo ein guter Freund von mir arbeitet. Passt? Dann bis
später!“
1.
Januar. 1 Uhr nachts.
Da
hinten, im Schnee, liegt Mahmud, ein guter Bekannter. Er muß wohl in eine
Schlägerei verwickelt gewesen sein. Seine Augen sind halbgeschlossen. Aus Nase
und Mund tropft das Blut und färbt den weißen Schnee in ein klares Rot. Es tut
mir leid um ihn – gleichzeitig hat dieses Bild auch eine seltsame
Ästhetik.
1.
Januar. 3 Uhr früh.
Ist
das alles nur ein Albtraum? So hatte ich mir Silvester jedenfalls nicht
vorgestellt – seit drei Stunden laufen wir durch das eiskalte München, mit dem
Schneesturm immer im Gesicht. Unsere Körper zittern vor Kälte. Meine Nase und
Ohren spüre ich schon seit zwei Stunden nicht. Aus allen Ecken hören wir
Explosionen. Da wieder! Beinahe wäre mir dieser Ladycracker ins Gesicht
geflogen! Ich muss Udo einen guten Teil des Weges mit seinem Arm um meine
Schulter abschleppen, denn er hat ein gebrochenes Bein – was auch der Grund war,
dass wir die Bar kurz nach Mitternacht verlassen mussten.
Bumm!
„Aufpassen, Udo – beinahe hätte dich dieser Feuerwerkskörper erwischt!“ Ich
komme mir vor wie in Stalingrad. Die verletzten Soldaten vom Kriegsfeld räumen
und ins Lazarett bringen. „Jawoll, Herr Kommandant!“
1.
Januar. Mitternacht
Kling!
Wir stoßen mit den Champagnergläsern an. Schon witzig: Ein Jude, ein Muslime und
ein Atheist feiern das Neujahr, das nach Jesus (angeblicher) Geburt berechnet
wird und nach einem Papst namens Silvester benannt ist.
Udo,
der Atheist, lächelt schüchtern. Heute wird das mit dem Tanzen wohl
nichts.
Einen Guten Rutsch ins Neue
Jahr!
Bilder: Public Domain
Text:Zeitjung
Dieser Artikel ist ursprünglich auf Zeitjung erschienen, und wurde mit ausdrücklicher Erlaubnis des Autors hier nachgedruckt