Montag, 3. März 2014

Filmkritik: Ushpizin


Haredim werden immer gerne in Filmen thematisiert. Von Tel Aviv bis Hollywood sind Regisseure von der Idee fasziniert, diese Gruppe darzustellen, deren Religiösität so intensiv ist, dass sie sich entschliessen, in ihrer eigenen Welt, abgeschottet von der Außenwelt, zu leben. Leider stammen bei diesen Filmen weder die Drehbücher noch die Schauspieler aus der Welt der Ultraorthodoxen, so dass das Ergebnis oft zu wünschen übrig lässt. Bei Ushpizin aber handelt es sich um einen Film, der von Haredim geschrieben wurde, von Haredim gespielt wird und sich – wie könnte es anders sein – sich mit Haredim beschäftigt. Im Gegensatz zu den obengenannten Filmen vermittelt er jedoch eine Authentizität jenseits jeglicher Romantik oder Verteufelung.

Die Entstehungsgeschichte des Films Ushpizin (Regie: Gidi Dar) ist ebenso faszinierend wie der Film selbst: Es ist vor allem die Geschichte der Freundschaft zwischen dem Regisseur, Gidi Dar, und dem Hauptdarsteller des Films, Shuli Rand. Rand, ein bekannter Schauspieler in Israelwurde mit den Jahren mehr und mehr religiös. So erinnert sich Dar, wie er eines Tages, als er zu Hause saß, eine Stimme von der Straße ihn rufen hörte. Er öffnete die Tür – und vor ihm stand ein Chassid mit Vollbart: Es war Shuli Rand. Der Freundschaft tat das jedoch keinen Abbruch. Der säkulare Dar und der Haredi Rand, der inzwischen die Schauspielerei an den Nagel gehängt hatte und in eine religiöse Gegend in Jerusalem gezogen war, trafen sich auch weiterhin in regelmäßigen Abständen. Bei einem dieser Treffen schlug Dar Rand vor, mal wieder einen Film zusammen zu drehen , woraufhin Rand nur lachen konnte: Die Beschränkungen, die er als Haredi habe, seien einfach zu groß. Gidi Dar ließ sich von diesem Einwand nicht abbringen und kam ihm in sämtlichen Bedingungen entgegen: So durfte der Film in Israel nicht am Shabbat (den Tag, der bei den Kinos den größten Umsatz macht) gezeigt werden. Auch erlaubten die Gesetze der „Zniut“ (Sittsamkeit) Shuli Rand nicht, die Rolle seiner Frau von jemand anderem als seiner Frau darstellen zu lassen. So wurde Mihal Bat-Shewa Rand, die keinerlei Erfahrung in der Schauspielkunst hat, für die Rolle genommen.

Das Ergebnis ist ein sehenswürdiger Film, der uns als Ushpizin (Gäste) in Shuli Rands / Moshe Belangars (so sein Rollenname) Sukkah in einer chassidischen Gegend in Jerusalem einlädt.
Zuerst muss die Sukkah aber gebaut werden, und die vier Arten gekauft werden, was sich für Moshe nicht einfach gestaltet. Er ist nämlich pleite, und kann sich weder einen Etrog leisten noch eine Sukkah bauen. So läuft Moshe wie in Trance durch seine religiöse Gegend, verzweifelt auf der Suche nach den paar Groschen, die es ihm ermöglichen, den Chag zu feiern, und nimmt alles verschwommen und wie von weiter Ferne wahr. Moshe und seine Frau Mali wären aber nicht Chassidim, wenn sie nicht tiefgläubig wären und so beten sie für ein Wunder ...

Unterdessen brechen Eliyahu Scorpio und Yosef, zwei Verbrecher, aus dem Knast aus und fliehen nach Jerusalem. Wie sich später herausstellt, kennt Eliyahu Moshe noch von früher (als Moshe ein nichtreligiöser Kleinverbrecher war) und hat vor, bei ihm Unterschlupf zu finden.
Und so treffen die beiden Welten aufeinander: Unvermittelter Dinge treffen die beiden Ganoven beim religiösen Ehepaar ein, das es als seine religiöse Pflicht sieht, sie in die Sukkah einzuladen. Glücklicherweise hatte sich selbige im letzten Moment noch gefunden, und dank einer anonymen Spende der Gemah (Wohlfahrtsorganisation) kann sich das Ehepaar sogar einen besonders teuren und schönen Etrog leisten – der ihnen Hoffnung auf bis dato noch nicht gekommenen Nachwuchs bringt. Kurzum: Ein Wunder jagt das Nächste – zumindest scheint es so.


Leider kommt es – auch bei den Chassidim! – erstens anders, und zweitens, als man denkt: 
Wie die Geschichte ausgeht, soll hier nicht weiter verraten werden. Gesagt werden kann aber, dass Gidi Dar hier ein sehr eindrucksvolles Portrait der haredischen Gesellschaft gelungen ist, das auch ihre alltäglichen Nöte und Handlungen nicht ignoriert. Insbesonders ist das Verhältnis des Ehepaar Belangars / Rands sehenswert: Hier wird eine Intimität vermittelt, ohne dass sich die beiden je berühren

Bilder: Public Domain
Text: Rosebud

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