Montag, 24. Juni 2024

Krembo - oder "Schaumspeise mit Migrationshintergrund"

 

 
                                               Krembo - angebissen und originalverpackt


Trivia


  • Die israelische Version des in Deutschland früher mal politisch unkorrekt als "Negerkuss" und "Mohrenkopf" vermarktete Süssspeise, heute als "Dickmanns" (nach dem Hersteller, aber auch nach dem Resultat, wenn man zuviele ist) bekannt, unterscheidet sich nicht nur dem Namen nach von seinem europäischen Vetter:

  • So ist es koscher (sogar sehr - glatt koscher), laktosefrei und jedes Krembo ist originalverpackt (siehe oben). Nebenbei sind die Krembos so empfindlich, dass Roboterarme bei der Verpackung es zermampfen würde. Und so wird jeder Krembo bis zum heutigen Tag per Hand verpackt. (Es gibt übrigens Sammler der Verpackung, die sie nach Genuss des Krembos bügeln und damit die Wand tapetieren - kein Witz!)

  • Den Namen erhielt "Krembo" vom Hersteller Whitman, und heute ist es Teil des Strauss-Imperiums.

  • In der israelischen Ubersetzung ist Krembo die Lieblingsspeise von Harry Potter



Wirtschaft


Krembos warden nur 5 Monate im Jahr hergestellt, nämlich von Oktober bis Februar, da es im Sommer zu schnell schmelzt.Trotzdem werden alleine in Israel 50 Millionen Krembos pro Saison verkauft - und es gibt auch einen Weltmarkt, vor allem in Regionen, wo Exil-Israelis leben.


Koscher


Nachdem Krembo zwei Teile hat - den Schoko-Creme-Teil und den Keks-Teil, erhält jeder Teil eine andere Bracha (Segensspruch). Zudem ist es am Shabbat (Samstag) verboten, die beiden Teile zu trennen - und der Sänger Ahron Razel hat dazu sogar ein witziges Lied geschrieben.

Last but not least:

Videos der Krembo-Herstellung sowie das oben erwähnte Lied gibt es auf unserer Facebook-Seite

Bild: Public Domain
Text: Rosebud

Montag, 17. Juni 2024

Tmol Schilschom wird 30! Geschichte eines Jerusalemer Kult-Cafes

 









Tmol Schilschom - ein Literaturcafé in Jerusalem 

Der Schriftsteller Meir Schalew sel. And. meinte einmal, dass es in Jerusalem früher einen Verrückten pro Wohngegend gab – heute wird man Schwierigkeiten haben, einen nicht-Verrückten pro Jerusalemer Wohngegend zu finden. 

Und doch gibt es eine Oase der Normalität in Jerusalem: Das Tmol Schilschom. Und das feiert sein 30. Jubiläum.

Das Cafe ist sehr versteckt: Man muss durch ein Tor in der Nachlat-Schiwa-Gegend in einen Hinterhof gehen, und dort zwei Stockwerke hinaufgehen, um durch eine kleine Holztür zum Café zu gelangen.  

Dort kommt einem der Geruch heißen Tees mit marokkanischen Kräutern entgegen, vermischt mit der kühlen Brise Jerusalems, und den Worten der besten Poeten und Musikern des Landes entgegen. Die auf den Mosaik des Jerusalemer Steines stehenden Regale waren mit Weinen und Bücher gefüllt, die man auch kaufen konnte.

Es heißt Tmol Schilschom, wortwörtlich “gestern-vorgestern”. Gemeint sind vergangene Tage, eine Erinnerung aus einer Zeit, die lange vorbei ist. Und so kommen mir die Tage vor Corona, vor den Massenunruhen der "Rechtsreform", und vor dem derzeitigen Krieg vor: Man saß im Tmol Schilschom, und diskutierte bei einer Tasse Kaffee oder Tee über Gtt und die Welt . Es scheint, als ob beide (Gtt und die Welt) schon damals anderes für uns vorhatten…

Bild: Public Domain
Text: Rosebud

Mittwoch, 5. Juni 2024

Shavuot - Fest der Erstlingsfrüchte

 


Ab Dienstag Abend und bis Mittwoch wird in Israel Shavuot, das jüdische Wochenfest, gefeiert.

So wie die meisten Feiertage hier hat das Fest eine spirituelle wie eine landwirtschaftliche Bedeutung. Spirituell wird sich an die Offenbarung am Berg Sinai und die Zehn Gebote erinnert. Landwirtschaftlich ist dies das Fest der Erstlingsfrüchte.

In der hebräischen Bibel hat Shavuot mehrere Namen, zum einen  Wochenfest (Shavuot), Fest der Ernte und Tag der Erstfrüchte.  Die vielen Namen spiegeln die verschiedenen Bedeutungen, die das Fest hat, wider. So wird an den Empfang der zweiten Zehn Gebote (Gesetzestafeln) am Berg Sinai erinnert. Die ersten zehn Gebote hat Mose, zerschmettert, weil das Jüdische Volk das Goldene Kalb anbetete. Darauf ging Moses wieder auf die Spitze des Berg Sinais, um die neuen zehn Gebote zu erbitten. Dieses Mal mussten die Juden sich die zehn Gebote verdienen, indem sie die 50 Tage vom Pessachfest bis Schawuot beteten. Beim ersten Mal wurden ihnen die zehn Gebote geschenkt.

Die Zehn Gebote stehen im Mittelpunkt der Toralesung. Sie werden unter Begleitung einer besonderen Melodie vorgelesen, und während sie vorgelesen werden, steht die ganze Gemeinde.

Schawuot ist außerdem ein Erntedankfest, da zu dieser Zeit in Israel Weizen geerntet wird.

Das Wochenfest bildet den Abschluss der Frühlingsfeste, zu denen Pessach auch gehört. Lesungen des Buches Ruth, das die Geschichte der Konvertierung von Ruth, der Urgroßmutter König Davids, erzählt  und die Zehn Gebote stehen im Mittelpunkt. Die Synagoge wird geschmückt. Traditionell wird Milch getrunken, milchige Speisen (Eierkuchen mit Quark, Käsekuchen usw.) und Honig gegessen, da die Tora mit Milch verglichen wird, die das Volk Israel wie ein unschuldiges Kind begierig trinkt. Auch geht es ja um "das Land, wo Milch und Honig fließt."
                                          Orangen: Auch sie Erstlingsfrüchte

Insbesonders in den landwirtschaftlichen Siedlungen, den Kibbutzim und Moshawot, wird Shavuot mit großen Festlichkeiten gefeiert. Die Erstlingsfrüchte werden in Traktoren der Öffentlichkeit feierlich, mit Musik und Parade präsentiert.

Hier ein paar Fotos der Festlichkeiten:



In den letzten paar Jahren wurde eine neue Tradition hinzugefügt: Die Neugeborenen des Jahres werden feierlich präsentiert: Auch sie sind "Erstlingsfrüchte"
                                                     Erstlingsfrucht der anderen Art

Zum Schluß werden die Kinder mit dem Traktor durch das Kibbutz oder Moshav gefahren.

Und dann gibt es natürlich noch eine festliche Mahlzeit:

Fröhliches Shavuot!

Text und Bilder: Rosebud

Sonntag, 2. Juni 2024

Kulinarisches aus Israel: heute - Itzik und Ruti (Tel Aviv)

  

                                                   Vorher...


                                                        ...heute


Das Wort "legendär" wird zu oft benutzt, aber auf "Izik und Ruti" trifft es auf jeden Fall zu.

Als die Nacht zum Tag wurde

Alles fing 1957, als das verheiratete Ehepaar Izik und Ruti Fleischer auf der (damals noch nicht legendären) Sheinkin-Strasse einen kleinen Sandwich-Laden aufmachten, und dort alles - vom Brot bis zu den Zutaten in einer winzigen Küche per Hand, und mit viel Liebe zubereiteten...

Als Getränk gab es eine Auswahl von verschiedenen Frucht-Schorles, in Israel als "Gazoz" bekannt.
 
                                                                   Sandwich und Gazoz

Ihr Sohn David, der den Nachnamen zu Shachaf hebräisierte half in der Küche mit später sollte er selbst den Laden führe, zusammen mit seiner Frau Schuli.

                                                          David und Schuli

Aber wir greifen vor.

Die ungewöhnlichen Öffnungszeiten (3 Uhr Nachts bis 12 Uhr mittags) haben Izik und Ruti einem Zufall zu verdanken:

Als David bei seinen Eltern aushalf, arbeitete er nebenan bei der Zeitung "Dawar". Und dort wurde oft die Nacht zum Tag, denn die Deadline, bevor die Zeitung in den Druck geht, ist oft in der Mitte der Nacht.

Als Davids Kollegen hörten, dass er in einem Sandwich-Laden aushilft, baten sie ihm, frische Sandwiches mitzubringen.

Und so kam es, dass "Izik und Ruti" den Journalisten um 3 Uhr nachts frische Sandwiche machte, und den Laden zumachten, als ihnen das Brot/ die Zutaten/ die Schorle ausging - meistens 12 Uhr mittags am drauffolgenden Tag.

Legende - bis zum (vorläufigen) Ende

Bald sprach sich das Wort herum, und vor allem Partygänger kamen zwischen 3 und 6 Uhr früh zur "After-Party" in die Sheinkin.
 
Aber auch Marathonläufer, die nicht in die Hitzewelle hineinrennen wollten, kamen in den frühen Morgenstunden zu Izik und Ruti angelaufen, um sich Kohlenhydrate und Proteine für den Sport zu holen.

In den Morgenstunden waren es meist Leute auf dem Weg zur Arbeit sowie junge Eltern, die in dem winzigen Laden auf Sheinkin 57 sich hineindrückten, und in einer langen Schlange auf ihre Sandwiche warteten.

Und für jeden war etwas dabei!

                                               So ein Sandwich gab es nur bei Izik und Ruti

63 Jahre lief das so, und für jeden war klar: ein Besuch in Tel Aviv ist kaum etwas wert, wenn man nicht die Sheinkin Strasse besucht, und ein Besuch auf der Sheinkin ist nicht das Wahre - ohne einen Abstecher bei Izik und Ruti!

Und dann kam Corona. Zuerst Lockdown, und dann Social Distance. David und Shuli, die schon nicht mehr die Jüngsten waren, mussten ihren Sandwich-Laden mehr schliessen als offen halten. Nachfolger hatten sie keinen (ihre Kinder leben in Amerika, und auch wenn nicht, waren sie nicht an einer Karriere in einem Sandwichladen, für den man sich noch dazu die Nacht um die Ohren schlagen muss, interessiert.)

Sie machten zu.

Das Comeback

Aber erstens kommt es anders, und zweitens, als man denkt. Oder "Totgesagte leben länger".
3 Jahre nach der Schliessung (also 2023) fragte ein junger Unternehmer, der in einer anderen Location - auf Frishman - einen Sandwich-Laden im Stil von Izik und Ruti aufmachen wollte, bei David nach, ob er den Namen und die Sandwiches benutzen dürfe.

Eine wahrhafte Chutzpe (Unverschämtheit) - aber zu seiner Überraschung war Davids Antwort: "ja"!

Und so gibt es jetzt wieder "Sandwiches mit Seele" bei Izik und Ruti - neu ist das Koscherzertifikat und auch einige vegane Sandwiche. Die Öffnungszeiten sind zwar nicht so verrückt wie früher, aber die Sandwiches immer noch Weltklasse!

Und manchmal schaut David Shachaf vorbei, und wenn man Glück hat, bereitet er selbst die Sandwiches vor.

Bilder: Public Domain
Text: Rosebud

Mehr zu Itzik und Ruti gibt es auf unserer Facebook-Seite