Cappucino. Hintergrund: Brichat HaMason, der Essenssegen
Eigentlich will man in der Früh gar nicht aufstehen. Was gibt man da nicht für
ein heisses Getränk, dessen Geruch uns, während wir noch im Bett
liegen, zu Nase steigt. Und während der Gatte (oder die Gattin) das
Getränk ins Schlafgemach bringt, sieht man –ausser der beschlagenen
Fensterscheibe und den Schneesturm draussen- eine Wolke des Dampfes aus
der Tasse steigen.
Kaffee…
Viel ist über das “schwarze Gold” geschrieben worden, das sämtliche
Kulturen erobert hat, und auch bei Juden sich an grosser Popularität
erfüllt (man gehe nur zwei Meter in Tel-Aviv, ohne auf ein Kaffeehaus
zu stossen), insbesonders natürlich zusammen mit einem guten, mit Lachs
belegten Bagel. Ist aber Kaffee koscher? Wie sich herausstellen wird,
ist das keine so einfache Frage!
Bishul akum?
“Bishul akum” bedeutet wortwörtlich das Kochen (“Bishul”) von
Anbetern von Sternen und Glücksbringern (“Ovdei Kohavim u-Mazalot”, oder
abgekürzt: “Akum”), und ist natürlich nach der Halacha (dem jüdischen
Religionsgesetz) verboten. Ausser den Götzendiener ist in der Kategorie
vor allem die (nichtjüdische) Aristokratie gemeint. Wenn Kaffee also DAS
Getränk reicher Götzendiener ist, dann dürfen wir es nicht zu Munde
führen. Oder?
Nicht unbedingt. Nach der Einstellung der “Tosafot” des Talmuds
(Avodah Zarah, 31b) ist z.B. Bier KEIN “Bishul akum”, da es sich dabei
lediglich um geschmackverstärktes Wasser handelt (ob diese Regel
ausserhalb des bayrischen Reinheitsgesetzes bei gepanschten Bieren auch
zutrifft, sei mal so dahingestellt). Und Wasser kann auch ungekocht
verzehrt werden. Daher ist die Bracha [der Segensspruch] beim Bier
ebenso wie beim Wasser: “she ha-kol”. Der Kommentator “Pri Hadash” folgt
nun logisch, dass das, was für Bier zutrifft, auch für Kaffee zutrifft:
Beide werden gebraut, beide können kalt (also ungekocht) zu sich
genommen werden, und beide sind daher nicht “Bishul Akum”, sondern
eindeutig koscher. Amen!
Das Café
Was auf den Kaffee zutrifft, trifft nun leider nicht unbedingt auf
das Café zu: Da wäre –siehe oben- zum einen das Argument des Cafés als
Zentrums der Aristokratie (bei diesen klassenfeindlichen Aussprachen ist
es kein Wunder, dass ein Jude die Theorie des Kommunismus entwickelt
hat). Zudem war und ist natürlich die Sittlichkeit von Cafés nicht immer
gewährleistet. Der Begriff, den die “Chazal” [Unsere Weisen,
“Chakhameinu zikhronam le-vraha”, oder abgekürzt “Chazal”] für die
Institution des Cafés benutzen, ist auch nicht sehr schmeichelhaft:
“Mo’shav Lay’tzim”, Zentrum der Spötter und Untätigen. Da hilft nur
eines: Den Kaffee zuhause zuzubereiten…
Koscherer vs. nicht-koscherer Kaffee
Nach diesen eher philosophischen Fragen kommt eine praktische: Ist
Kaffee an sich (also vom Material her) koscher? Eigentlich ja, würde
Radio Eriwan antworten, denn Kaffeebohnen an sich sind koscher, und
Kaffeemaschinen werden nur selten zu anderen, nichtkoscheren Zwecken
benutzt. Aber: Lob den Tag nicht vor dem Abend! Wie vielen bestimmt
bekannt ist, haben die im Supermarkt erhältlichen Kaffeeprodukte
(Filterkaffee, Fertigkaffee, Kaffeepulver etc.) eben nicht nur
Kaffeebohnen als Zutaten: Von Monoglyzeriden bis Emulgatoren über
Haltbarkeitsmittel gibt es da eine lange Liste von Zutaten, die
sorgfältig überprüft werden müssen. In diese Kategorie fallen übrigens
auch “nicht-milchige” Beiprodukte, die Sodium Casenat (enthält
Milchprotein), Lactose (Milchzucker) etc. enthalten. Vorsicht ist also
angebracht! (Und das insbesonders an Pessach, wo man allzuleicht auf
Kaffeeprodukte fallen kann, die Chametz [ungesäurtes Brot] oder Kitnyot
[Hülsenfrucht] sind.)
Insbesonders muss hier die “Kopi Luwak”- Marke Kaffee aus Java und
Sumatra erwähnt werden, bei der der Kot eines vorher mit Kaffeebohnen
gefütterten Beutetiers zugefügt wird. Nun mag diese Marke vielleicht als
Gourmet gelten (über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten), aber
wohl eher nicht als koscher (darüber lässt sich nicht streiten)…
Zu guter Letzt
Der Talmud (Shabbat 119b) erwähnt, dass Rabbi Chanina verlangt, am
Ende des Schabbats selbst dann eine Mahlzeit zuzubereiten, wenn man
nicht hungrig ist. Heisse Getränke und Mahlzeiten seien nämlich
“melugma” – “heilend”. In die selbe Richtung geht Rabbi Meshulam Zushe,
der im Shu’t [kurz für “She’elot u-Teshuvot”, also Fragen und Antworten]
Hillel Omer (198) mit folgendem zitiert wird: “Chamin b’Motzoei Shabbos
Melugma” [“eine heisse Mahlzeit am Ende des Schabbats ist heilend”] hat
die selbe Anzahl an Buchstaben wie “uMechabesh l’Atzvutam” (Tehillim
143:3) [“der ihre Traurigkeit heilt”]. Folglicherweise heilt eine heiße
Tasse Kaffee Depression (insbesonders die Winterdepression).
Na dann: L’Chaim! Auf den Genusse des Kaffees und seine heilbare Wirkung!
Bild und Text: Rosebud
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