Haredim werden immer gerne in Filmen thematisiert. Von Tel Aviv bis
Hollywood sind Regisseure von der Idee fasziniert, diese Gruppe
darzustellen, deren Religiösität so intensiv ist, dass sie sich
entschliessen, in ihrer eigenen Welt, abgeschottet von der
Außenwelt, zu leben. Leider stammen bei diesen Filmen weder die
Drehbücher noch die Schauspieler aus der Welt der Ultraorthodoxen,
so dass das Ergebnis oft zu wünschen übrig lässt. Bei Ushpizin aber handelt es sich um einen Film, der von Haredim geschrieben wurde, von Haredim gespielt wird
und sich – wie könnte es anders sein – sich mit Haredim
beschäftigt. Im Gegensatz zu den obengenannten Filmen vermittelt er
jedoch eine Authentizität jenseits jeglicher Romantik oder
Verteufelung.
Die Entstehungsgeschichte des Films Ushpizin (Regie: Gidi Dar) ist
ebenso faszinierend wie der Film selbst: Es ist vor allem die
Geschichte der Freundschaft zwischen dem Regisseur, Gidi Dar, und
dem Hauptdarsteller des Films, Shuli Rand. Rand, ein bekannter
Schauspieler in Israelwurde mit den Jahren mehr und mehr religiös. So erinnert sich
Dar, wie er eines Tages, als er zu Hause saß, eine Stimme von
der Straße ihn rufen hörte. Er öffnete die Tür – und vor ihm stand
ein Chassid mit Vollbart: Es war Shuli Rand. Der Freundschaft tat
das jedoch keinen Abbruch. Der säkulare Dar und der Haredi Rand,
der inzwischen die Schauspielerei an den Nagel gehängt hatte und in
eine religiöse Gegend in Jerusalem gezogen war, trafen sich auch
weiterhin in regelmäßigen Abständen. Bei einem dieser Treffen
schlug Dar Rand vor, mal wieder einen Film zusammen zu drehen ,
woraufhin Rand nur lachen konnte: Die Beschränkungen, die er als
Haredi habe, seien einfach zu groß. Gidi Dar ließ sich von diesem
Einwand nicht abbringen und kam ihm in sämtlichen Bedingungen
entgegen: So durfte der Film in Israel nicht am Shabbat (den Tag,
der bei den Kinos den größten Umsatz macht) gezeigt werden. Auch
erlaubten die Gesetze der „Zniut“ (Sittsamkeit) Shuli Rand nicht,
die Rolle seiner Frau von jemand anderem als seiner Frau darstellen
zu lassen. So wurde Mihal Bat-Shewa Rand, die keinerlei Erfahrung
in der Schauspielkunst hat, für die Rolle genommen.
Das Ergebnis ist ein sehenswürdiger
Film, der uns als Ushpizin (Gäste) in Shuli Rands / Moshe Belangars
(so sein Rollenname) Sukkah in einer chassidischen Gegend in
Jerusalem einlädt.
Zuerst muss die Sukkah aber gebaut werden, und die vier Arten
gekauft werden, was sich für Moshe nicht einfach gestaltet. Er ist
nämlich pleite, und kann sich weder einen Etrog leisten noch eine
Sukkah bauen. So läuft Moshe wie in Trance
durch seine religiöse Gegend,
verzweifelt auf der Suche nach den paar Groschen, die es ihm
ermöglichen, den Chag zu feiern, und nimmt alles verschwommen und
wie von weiter Ferne wahr. Moshe und seine Frau Mali wären aber
nicht Chassidim, wenn sie nicht tiefgläubig wären und so beten sie
für ein Wunder ...
Unterdessen brechen Eliyahu Scorpio und Yosef, zwei Verbrecher, aus
dem Knast aus und fliehen nach Jerusalem. Wie sich später
herausstellt, kennt Eliyahu Moshe noch von früher (als Moshe ein
nichtreligiöser Kleinverbrecher war) und hat vor, bei ihm
Unterschlupf zu finden.
Und so treffen die beiden Welten aufeinander: Unvermittelter Dinge
treffen die beiden Ganoven beim religiösen Ehepaar ein, das es als
seine religiöse Pflicht sieht, sie in die Sukkah einzuladen.
Glücklicherweise hatte sich selbige im letzten Moment noch
gefunden, und dank einer anonymen Spende der Gemah
(Wohlfahrtsorganisation) kann sich das Ehepaar sogar einen
besonders teuren und schönen Etrog leisten – der ihnen Hoffnung auf
bis dato noch nicht gekommenen Nachwuchs bringt. Kurzum: Ein Wunder
jagt das Nächste – zumindest scheint es so.
Leider kommt es – auch bei den Chassidim! – erstens anders, und
zweitens, als man denkt:
Wie die Geschichte ausgeht, soll hier nicht weiter verraten werden.
Gesagt werden kann aber, dass Gidi Dar hier ein sehr
eindrucksvolles Portrait der haredischen Gesellschaft gelungen ist,
das auch ihre alltäglichen Nöte und Handlungen nicht ignoriert.
Insbesonders ist das Verhältnis des Ehepaar Belangars / Rands
sehenswert: Hier wird eine Intimität vermittelt, ohne dass sich die
beiden je berühren
Bilder: Public Domain
Text: Rosebud