Donnerstag, 24. September 2020

Jom Kippur in Zeiten von Corona - und allgemein

 

 

 
                                                      Jom Kippur in Israel

Am Sonntag Abend beginnt in Israel (und der jüdische Welt) Jom Kippur, der höchsten Feiertag des jüdischen Jahres. Er endet Montag Nacht. Es ist dies der "Tag der Versöhnung", ein Tag der in der Synagoge verbracht wird, wo man den ganzen Tag fastet und in sich kehrt, sowie sich den Dialog mit dem Ewigen widmet.

ABER: Dieses Jahr ist Corona, und da in Israel gerade Lockdown ist, sind die Synagogen - die Jom Kippur immer voller sind als an jedem anderen Tag im jüdischen Jahr - geschlossen sein. Gebetet wird draussen, und wem es zu heiss und unerträglich ist - denn es wird ja auch gefastet - zuhause.

In Israel ist Jom Kippur auch "autofreier Sonntag (bzw. Samstag)": Es hat sich eingebürgert, dass das ganze Land für 25 Stunden Pause macht - Restaurants und Geschäfte sind alle geschlossen, öffentliche Verkehrsmittel fahren nicht, und - und das ist eine einzigartige Erfahrung! - es hat sich eingebürgert, dass kein einziges Auto fährt. Für die Bevölkerung Israels (und Touristen, die zu dem Zeitpunkt im Lande sind) ist das ein Happening: Kinder fahren überall mit dem Fahrrad, und Menschen gehen fröhlich auf den Autobahnen und den befahrensten Straßen der Städte spazieren. Dabei atmen sie - wie das Umweltministerium jedes Jahr feststellt - eine bis zu 90% weniger verschmutzte Luft ein...

UND WÄHREND DEM LOCKDOWN IST IN ISRAEL 2 GANZE WOCHEN RUHE! Restaurants und Geschäfte sind geschlossen, öffentliche Verkehrsmittel fahren fast gar nicht, und auch Autos wird man kaum sehen.

Kurzum: Jom Kippur ist ein Feiertag, den man auf verschiedenste Weise begehen kann, der aber in Israel eine Atmosphäre schafft, die seinesgleichen weltweit sucht.

In diesem Sinne: Gmar Chatima Tova, also ein schöner Abschluss von Jom Kippur!

Bild und Text: Rosebud 
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Dienstag, 22. September 2020

Idylle im Regierungsviertel

 

                                             Das Sarona-Viertel. Im Hintergrund: Innenministerium

                                            Restaurierung eines Templer-Hauses

Man sagt, dass alle wichtigen Entscheidungen in Israel im Umkreis von ca. 500 Meter getroffen werden: Es handelt sich dabei um das Tel-Aviver "Bermuda-Dreieck": Im Norden das Verteidigungsministerium, im Osten das Innenministerium, und im Südwesten das Café Dubnow, wo sich alles, was Rang und Namen hat, trifft, um über eine Tasse Kaffee die wichtigen Entscheidungen zu treffen.

Jetzt reiht sich etwas Neues hinzu, das eigentlich lange vor den Cafés und Ministerium schon exisitiert hat - ja, schon lange vor der Staatsgründung Israels: Es ist dies die Templerkolonie "Srona". Die Templer waren eine deutsche christliche Sekte, die sich im 19. Jahrhundert in Israel niederließen, um dort Landwirtschaft zu betreiben. Im Falle von Sarona erworben sie im August 1871 Land von einem griechischen Kloster, und bauten dort, im Niemandsland bei Jaffa (Tel-Aviv wurde erst 1909 gegründet) Wein an. Bereits ein Jahr später kam es dort zu einer Malaria-Epidemie, die den Tod von 28 der 128 Templer-Siedler verursachte. Doch die Templer bestanden darauf zu bleiben, beteten, bauten Wein an, und machten auch Holzarbeiten.

Leider sympatisierten die Templer in den 1930er Jahren mit den Nazis und wurden daher von den Engländern des Landes verwiesen. Jetzt aber wurde Sarona wiederbelebt - die Templer-Häuser wurden restauriert, und in der Idylle einfacher Einbauhäuser mit roten Ziegeldach und im Schatten großer Bäume wurden Cafés, Restaurants, Buchläden und kleine Geschäfte hingestellt.

Hier ein paar Eindrücke:



                                          Sarona. Hochhaus im Hintergrund: Innenministerium

                                          Sarona. Antenne im Hintergrund: Verteidigungsministerium

                                             Bleibt idyllisch: Café Dubnow


Bilder und Text: Rosebud
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Montag, 14. September 2020

Schana Towa! Oder guten Rutsch ins neue (jüdische) Jahr


  


Guter Rutsch? Neues Jahr? Ist das nicht ein bißchen früh?

Nein, ist es nicht: Denn das jüdische Jahr fängt Freitagabend an. Es heißt "Rosch Haschana" (wörtlich: "Kopf des Jahres") und wird nach dem Mondkalender berechnet. Man wünscht sich dann "Shana Tova" (hebr. Gutes Jahr).

Rosch Haschana lautet die "10 Busstage ein", die am 10. Tag mitYom Kippur (Tag der Versöhnung) enden. Es wird sowohl beim Ewigen als auch bei den Mitmenschen um Verzeichung für die Sünden des Vorjahres gebetet und gebittet, und man versucht, sich dieses Jahr besser zu halten.  

An Rosh Hashana selbst ist es Brauch, zu einem Fluß zu gehen, wo man Brotstücke - die die Sünden symbolisieren, ins Wasser wirft, und hofft, dass die Strömung nicht nur die Brotstücke, sondern auch die sündhaften Tendenzen wegspült. Dieser Brauch heißt Taschlich (Wegwerfen, d.h. Wegwerfen der Sünden) Bei sehr Religiösen kann dann folgendes passieren:
                                           Neulich, beim Taschlich


Eine weitere Tradition, ist es, den Schofar zu blasen: Der Schofar ist ein Widderhorn, dessen Ton durch Körper und Seele dringt - und das ist auch die Idee dahinter. Es ist dies ein letzter Aufruf zur Besserung, zu einem besseren Verhalten in diesem Jahr. Im Hebräischen kommt das Wort "Shofar" auch von derselben Wurzel wie "Shipur", Verbesserung. Dazu kann man dann sagen:


Und so hört sich der Schofar an

Schließlich ist es Brauch, Äpfel in Honig zu tauchen. Damit symbolisiert man ein fruchtvolles Jahr (im wahrsten Sinne des Wortes) sowie ein süßes Jahr. Das ist es auch, was man sich am meisten wünscht: Shana Tova u-metuka (ein gutes und SÜSSES Jahr).

Auch wir von Rosenduftgarten wünschen allen Lesern ein gutes und süßes jüdische Neujahr!
ScHANA TOwA u-METUKA


Bilder: Public domain
Text: Rosebud

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Mittwoch, 9. September 2020

Ephraim Kishon


                                                           Ephraim Kishon sel. And.

"Hebräisch kann man nicht lernen. Es ist unmoglich! Das weiss ich jetzt nach vielen Jahrzehnten im Lande. Warum ich es trotzdem gelernt habe? Weil ich damals nicht wusste, dass es unmoglich ist..."

Das Zitat ist von DEM israelischen Satiriker schlechthin, von Ephraim Kishon.

"Willkommen im Venedig des Nahen Ostens" 

Das ist natürlich aus einem von Kishons bekanntesten Büchern, das er auch selbst verfilmt hat - der Blaumilchkanal. Hier fängt ein aus der Irrenanstalt Entlaufener einfach an, in der Mitte von Tel Aviv ein Loch zu bohren - und jeder denkt, das es natürlich ein ganz offizielles Stadtprojekt ist, bis dann Tel Aviv tatsächlich vom Mittelmeer überschwemmt wird, während der Bürgermeister es als "Venedig des Nahen Ostens" bezeichnet.

Hier zeigt sich Kishon als Satiriker schlechthin, der die Bürokratie des jungen Staaten mit einer kräftigen Portion Humor auf die Schippe nimmt. Herrlich, wie beispielsweise die Anwohner auf der Polizeistation wie bei einer Symphonie den Lärmpegel des Bohrens beschreiben, bis sogar der Polizist mitsingt...

"Hier, nimm diesen geschlossenen Umschlag.
- Aber woher weiss ich dann, wen ich wähle?
- Weisst du nicht. Das ist eine Geheimwahl, daher heisst es ja Demokratie..."

Dieser Austausch ist von Sallah Shabati,Hauptfigur im Film "
Sallah – oder: Tausche Tochter gegen Wohnung". Es ist die Szene, wo die politischen Funktionäre versuchen, den Neueinwanderer Sallach zu bestechen - hier die Szene, wo er als "Meinungsmacher" erkoren wird.

Der Film ist inzwischen ein absoluter Kultfilm, der wie kaum ein anderer Themen, die bis heute nichts an Aktualität verloren haben (orientalische vs. europäische Juden, politische Korruption, Neueinwanderer vs. Sabres, Kibbutzim vs. Stadt, etc.) auf augenzwinkernde Weise thematisiert. Haim Topol, der die Hauptrolle spielt, war nebenbei nur 29 Jahre alt, also halb so alt wie Sallach. Und während er im hebräischen Original mit arabischen Akzent spricht (er ist Einwanderer aus einem arabischen Land wie Marokko oder Irak, im Film wird das Land nicht explizit erwähnt), hat er in der deutschen Synchronfassung ironischerweise einen jiddischen Akzent. Kishon hätte es nicht besser schreiben konnen...

Nebenbei sprach Golda Meir, damals Aussenministerin, 5 Jahre kein Wort mit Kishon oder den Schauspielern - denn im Film wurde gezeigt, wie die KKL (Jewish National Fund) denselben Waldabschnitt unterschiedlichen ausländischen Spendern als deren Spende präsentiert, indem sie das Holzschild x-mal am Tag austauschen. Die Reaktion war eine bedeutsame Reduzierung von Spenden - erst als die KKL Beton- statt Holzschilder aufstellte, ging das Vertrauen wieder zurück.


Seargant Bejarano, ich präsentiere Bo-Bo-Borekas, von meiner lieben Frau Betty zubereitet

Dieses Zitat ist von "The Policeman" (im Original "HaShoter Azulai), ein Film, der liebevoll - mit viel Humor, aber auch viel Gefühl - das Leben eines einsamen, einfach gestrickten Polizisten zeigt. Hier das Lied zum Film.

Text: Rosebud
Bild: Public Domain
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Sonntag, 6. September 2020

Bahai: faszinierende Religion "Made in Israel"

 

                                             Bahai-Garten in Haifa: 100% symmetrisch


Verkehret mit allen Religionen in Herzlichkeit und Eintracht, auf daß sie Gottes süße Düfte von euch einatmen. Hütet euch, daß euch im Umgang mit den Menschen nicht die Hitze törichter Unwissenheit übermanne.“

So steht es in den Schriften von Baha-Ullah, dem Gründer der Bahai-Religion, dessen Tempel, Gräber und heilige Stätten in Israel, genauer gesagt, in Haifa und Umgebung ihr Zentrum haben. Am Bekanntesten sind natürlich die Gärten (siehe Bild oben), die zwar ausschauen, als ob sie vom britischen Königshaus adaptiert wurden, so symmetrisch und harmonisch sind sie, die aber ihren Ursprung - wie Bahai überhaupt - in Persien haben...

Bab und Babismus

Bahai ist eine moderne Religion. Ihren Anfang hatte sie mit dem "Bab" (Tor), einen iranischen Muslim aus Shiraz (Iran), der am Abend des 22. Mai 1844 den Anspruch einer göttlichen Offenbarung gab, und sich den Titel "Bab", gab, da er sich als Tor zu Gott sah - dabei greift er den schiitisch-eschatologischen Begriff des „Bab“ auf. Bab versammelte bald viele Anhänger um sich, die "Babismus" praktizieren, damals noch im Rahmen des Schiismus.

Doch bald richtete sich der Mainstream- Schiismus gegen den Bab und seine Anhänger - er wurde 1850 öffentlich erschossen, seine Anhänger verfolgt.


Baha'ulla - und Bahai

Sein Nachfolger, Baha'ulla, der Babismus in Richtung Mystizismus weiterentwickelte, und die Religion immer mehr vom Islam entfernte, wurde ebenso verfolgt - zuerst musste er nach Bagdad fliehen, dann nach Istanbul. Aber auch das osmanische Reich war ihm nicht freundlich gesonnen - und wurde in das heutige Israel verbannt, wo er 1892 verstarb. Sein Schrein, in Akkon in Galiläa, ist heute der wichtigste Schrein der Bahaii-Religion, ein Wallfahrtsort und es bestimmt die Gebetsrichtung.

Während der  mehr als zwanzig Jahre, die der Bah'ulla vor seinem Tod in Galiläa verbrachte,entstand der größere Teil des umfangreichen Schrifttums Baha'ullahs, worin die grundlegenden Lehren der neuen Bahaii-Religion ausgeführt werden, insbesondere der Gedanke der Einheit der Menschheit und die Versöhnung der Religionen. Hinzu kommen Religionsgesetz und Gemeindeordnung. Der wichtigste Text der Bahai ist das sogenannte Heiligste Buch, aus dem Jahr 1873.

Und heute?

Weltweit gibt es 5 bis 8 Millionen Anhänger der Bahaii-Religion. Wie gesagt ist das Zentrum im Norden Israels. Der Schrein des Babs ist die Kuppel in den Bahaii-Garten Haifas, wohl eines der Hauptattraktionen der Stadt - wobei die meisten Touristen sich eher für die Gärten als für den Schrein interessieren...

Die Gärten liegen auf einer Anhöhe, die Teil der biblischen Carmel-Gebirge sind, wo u.a. der Prophet Elisha aktiv war. Am Fuße der Anhöhe fängt die "German Colony" an, eine weitere Tourismusattraktion. Somit hat die Lage der Bahaii-Tempel in sich die Lehre des interreligiösen Dialogs gut integriert - und natürlich ist Haifa auch die Stadt, wo Juden, Christen und Muslime weitgehend in Harmonie leben.

Bild und Text: Rosebud
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Dienstag, 1. September 2020

Zeit der Andacht in Israel

   

                                           
             Slichot-Gebet

Seit Anfang letzter  Woche befinden wir uns im jüdischen Monats Elul (des letzte Monat des jüdischen Jahres). Und da ist es Tradition, bei Morgengrauen die sogenannten Slichot-Gebete zu singen.

 Bei den Slichot-Gebeten handelt es sich um sogenannte "Piyutim" - das sind lithurgische Gedichte aus dem Mittelalter oder älter, die sich oft reimen, und manchmal in alphabetischer Reihenfolge geschrieben werden, und die später in Musik gesetzt werden. Sie heiligen den Namen des Ewigen und bitten gleichzeitig um Vergebung für das sündenvolle und unbescheidene Leben des letzten Jahres.

Bei den Sepharden werden die Slichot um 5 Uhr früh,also vor Sonnenaufgang und dem Morgengebet, gebetet, während bei den Ashkenazen es spät am Abend, meist nach Mitternacht gebetet werden. Und so sieht man in religiösen Gegenden wie z.B. Nachlaot in Jerusalem oft um 4:30 einen Mann mit einer Glocke durch die Nachbarschaft gehen, der mit Geklingel und "Slichot, Slichot" die Leute aufweckt.

Trotz des Ernst dieser Gebete und des damit verbundenen Insichgehens ist es aber eine wunderschöne Tradition, wo man die Möglichkeit hat, wunderschöne Melodien zu hören und zu singen, und oft wird süßer Tee und Süßigkeiten serviert, um die späten Nacht- oder frühen Morgenstunden zu versüßen.

In letzten Jahren ist es Tradition geworden, dass auch Nicht-Religiöse Slichot-Touren durch religöse Gegenden machen - das sind meist Nachttouren, wo man verschiedenen Nachbarschaften und Synagogen verschiedener Gemeinden sieht - und vor allem hört. Hier ein Beispiel für zwei Slichot-Piyutim, wunderschön vorgesungen von Lior Amendy.

Ein weiterer Trend ist es, dass bekannte israelische Sänger Slichot-Piyutim neu vertonen - hier Meir Banai sel. And., der "El Nora Alila" (wie schlimm sind unsere Taten) singt, dessen zweite Zeile heisst "himza lanu mechila be-shaat ha-Neila" (vergebe uns, wenn sich die Pforten schließen), wobei die Pforten des Himmels gemeint sind, die sich beim Schlussgebet von Jom Kippur, dass auch so heisst -Neila - schließen.

Wir wünschen allen Lesern ein Shana Tova u-Metuka (ein gutes und süßes Neues Jahr), und dass der Adon HaSlichot, der Vater der Slichot, die Gebete erhöhern möge.

Bild: Public Domain
Text: Rosebud

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