Es ist kalt geworden. Auch in Israel. Es regnet, ein frierender Wind weht uns ins Gesicht und unsere Hände zittern, während wir sie aneinander reiben und anpusten. Da will man in der Früh gar nicht aufstehen. Was gibt man da nicht für ein heisses Getränk, dessen Geruch uns, während wir noch im Bett liegen, zu Nase steigt. Und während der Gatte (oder die Gattin) das Getränk ins Schlafgemach bringt, sieht man –ausser der beschlagenen Fensterscheibe und den Schneesturm draussen- eine Wolke des Dampfes aus der Tasse steigen. Kaffee…
Kaffeebohnen (im Shuk in Akko)
Viel ist über das „schwarze Gold“ geschrieben worden, das sämtliche Kulturen erobert hat, und auch in Israel sich an grosser Popularität erfüllt (man gehe nur zwei Meter in Tel-Aviv, ohne auf ein Kaffeehaus zu stossen. Ist aber Kaffee koscher? Wie sich herausstellen wird, ist das keine so einfache Frage!
Bishul akum?
„Bishul akum“ bedeutet wortwörtlich das Kochen („Bishul“) von Anbetern von Sternen und Glücksbringern („Ovdei Kohavim u-Mazalot“, oder abgekürzt: „Akum“), und ist natürlich nach der Halacha (dem jüdischen Religionsgesetz) verboten. Ausser den Götzendiener ist in der Kategorie vor allem die (nichtjüdische) Aristokratie gemeint. Wenn Kaffee also DAS Getränk reicher Götzendiener ist, dann dürfen wir es nicht zu Munde führen. Oder?
Nicht unbedingt. Nach der Einstellung der „Tosafot“ des Talmuds (Avodah Zarah, 31b) ist z.B. Bier KEIN „Bishul akum“, da es sich dabei lediglich um geschmackverstärktes Wasser handelt (ob diese Regel ausserhalb des bayrischen Reinheitsgesetzes bei gepanschten Bieren auch zutrifft, sei mal so dahingestellt). Und Wasser kann auch ungekocht verzehrt werden. Daher ist die Bracha [der Segensspruch] beim Bier ebenso wie beim Wasser: „she ha-kol“. Der Kommentator „Pri Hadash“ folgt nun logisch, dass das, was für Bier zutrifft, auch für Kaffee zutrifft: Beide werden gebraut, beide können kalt (also ungekocht) zu sich genommen werden, und beide sind daher nicht „Bishul Akum“, sondern eindeutig koscher. Amen!
Das Café
Was auf den Kaffee zutrifft, trifft nun leider nicht unbedingt auf das Café zu: Da wäre –siehe oben- zum einen das Argument des Cafés als Zentrums der Aristokratie (bei diesen klassenfeindlichen Aussprachen ist es kein Wunder, dass ein Jude die Theorie des Kommunismus entwickelt hat). Zudem war und ist natürlich die Sittlichkeit von Cafés nicht immer gewährleistet. Der Begriff, den die „Chazal“ [Unsere Weisen, „Chakhameinu zikhronam le-vraha“, oder abgekürzt „Chazal“] für die Institution des Cafés benutzen, ist auch nicht sehr schmeichelhaft: „Mo’shav Lay’tzim“, Zentrum der Spötter und Untätigen. Da hilft nur eines: Den Kaffee zuhause zuzubereiten…
Koscherer vs. nicht-koscherer Kaffee
Nach diesen eher philosophischen Fragen kommt eine praktische: Ist Kaffee an sich (also vom Material her) koscher? Eigentlich ja, würde Radio Eriwan antworten, denn Kaffeebohnen an sich sind koscher, und Kaffeemaschinen werden nur selten zu anderen, nichtkoscheren Zwecken benutzt. Aber: Lob den Tag nicht vor dem Abend! Wie vielen bestimmt bekannt ist, haben die im Supermarkt erhältlichen Kaffeeprodukte (Filterkaffee, Fertigkaffee, Kaffeepulver etc.) eben nicht nur Kaffeebohnen als Zutaten: Von Monoglyzeriden bis Emulgatoren über Haltbarkeitsmittel gibt es da eine lange Liste von Zutaten, die sorgfältig überprüft werden müssen. In diese Kategorie fallen übrigens auch „nicht-milchige“ Beiprodukte, die Sodium Casenat (enthält Milchprotein), Lactose (Milchzucker) etc. enthalten. Vorsicht ist also angebracht! (Und das insbesonders an Pessach, wo man allzuleicht auf Kaffeeprodukte fallen kann, die Chametz [ungesäurtes Brot] oder Kitnyot [Hülsenfrucht] sind.)
Insbesonders muss hier die „Kopi Luwak“- Marke Kaffee aus Java und Sumatra erwähnt werden, bei der der Kot eines vorher mit Kaffeebohnen gefütterten Beutetiers zugefügt wird. Nun mag diese Marke vielleicht als Gourmet gelten (über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten), aber wohl eher nicht als koscher (darüber lässt sich nicht streiten)…
Zu guter Letzt
Der Talmud (Shabbat 119b) erwähnt, dass Rabbi Chanina verlangt, am Ende des Schabbats selbst dann eine Mahlzeit zuzubereiten, wenn man nicht hungrig ist. Heisse Getränke und Mahlzeiten seien nämlich „melugma“ – „heilend“. In die selbe Richtung geht Rabbi Meshulam Zushe, der im Shu’t [kurz für „She’elot u-Teshuvot“, also Fragen und Antworten] Hillel Omer (198) mit folgendem zitiert wird: „Chamin b’Motzoei Shabbos Melugma“ [„eine heisse Mahlzeit am Ende des Schabbats ist heilend“] hat die selbe Anzahl an Buchstaben wie „uMechabesh l’Atzvutam“ (Tehillim 143:3) [„der ihre Traurigkeit heilt“]. Folglicherweise heilt eine heiße Tasse Kaffee Depression (insbesonders die Winterdepression).
Na dann: L’Chaim! Auf den Genusse des Kaffees und seine heilbare Wirkung!
Bild und Text: Rosebud
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