Sonntag, 16. April 2023

Der Baum fiel leise: Nachruf auf Meir Schalew sel. And.

 

                                        Meir Schalew (Foto: Uwe Zucchi/picture alliance/dpa)


Ein Baum

"Wenn ich Meir Schalew mit etwas aus der Natur vergleichen kann, dann ist es der Baum", so sagte der Schriftsteller Etgar Keret auf Meir Schalews Beerdigung. Und fuhr fort: "wie ein Baum, war er tief verwurzelt im Lande Israels, in der jüdischen Geschichte und Kultur, in der Bibel, die er so liebte und die er in seinen Büchern verarbeitete - und in der Landwirtschaft Galiläas, die er liebte und lebte."
"Und wie ein Baum konnte ich in seinem Schatten Halt finden, wie ein Baum gedeihten wunderschöne (literarische) Früchte, und wie ein Baum war er standhaft gegen den Wind flüchtiger Trends und Ideen."

Pioniergeist

Meir Schalew wurde 1948 geboren, im selben Jahr wie der Staat Israel. In den letzten Monaten fand er die politische Situation sehr besorgniserregend und drückte die Hoffnung aus, dass der von ihm so geliebte Staat hoffentlich nicht mit ihm sterbe...

Geboren wurde er im fast schon mythischen Landwirtschafts-Moschaw Nahalal, wuchs aber in Jerusalem auf (hier und hier etwas zu dieser wunderschönen, biblischen Stadt), über die er einst sagte: in meiner Kindheit gab es in jeder Nachbarschaft Jerusalems einen Verrückten. Heute gibt es sehr viele Meschuggene in Jerusalems, und wenn man Glück hat, gibt es in der Nachbarschaft einen Normalen...

Im Sechs-Tage-Krieg (1967) wurde Schalew, der in der Golani-Kampfeinheit diente, schwer verletzt. Seine körperlichen Wunden heilten...

Wie ein paar Tage...

Das ist der Titel des im deutschen unter "Judiths Liebe" veröffentlichten Roman, der die biblische Geschichte von Jakob und Rachel einen modernen Blickwinkel gibt.

Der Titel ist von der Bibel übernommen, es war dies das Bibelzitat, das Schalew mehr als alle anderen liebte, "ein Roman in 11 Wörtern" (im Hebräischen Original) nannte er es, bei der jeder Mann wünschte, er hätte es gesagt, jede Frau wünschte, sie hätte es gehört und jeder Literaturleser wünschte, er hätte es geschrieben:


So arbeitete Jakob sieben Jahre lang,
um Rahel heiraten zu können.
Er liebte Rahel so sehr,
dass ihm die Jahre vorkamen wie ein paar Tage. (1. Buch Moses, 29/20) 

Insgesamt schrieb Schalew, der erst mit 40 Jahren sein erstes Buch veröffentlichte, 9 Romane für Erwachsene und 14 Kinderbücher. Kinder waren sein Lieblingspublikum, denn sie hören nur zu, wenn es spannend ist, und geben einem ehrliche Kritik, so Schalew.


Papa nervt (und arbeitet im Garten)

So ist es nicht verwunderlich, dass eines seiner bekanntesten Kinderbücher "Papa nervt" (Abba ose Buschot, also Papa benimmt sich peinlich im Original) heisst. Ausser witzige Geschichten für Kinder und Erwachsene war eine seiner grossen Leidenschaften die Flora und Fauna Israels, insbesondere in der Landwirtschaftssiedlung Alonei Abba im Norden Israels, wo er in den letzten Jahren seines Lebens lebte, sich an seinen Garten ergiebte und ausser Pflanzen auch Insekten, Vögel und wilde Tiere beobachte...

Die letzte Kolumne

Aber nicht nur Bücher schrieb Meir Schalew - mehr als 30 Jahre lang schrieb er eine wöchentliche Kolumne in der Tageszeitung Jedioth Achronot. Dort äusserte er sich (im Gegensatz zu seinen Büchern) auch politisch, bissig und mit sehr viel Humor. Zusätzlich veröffentlichte er die Namen der israelischen Medaillengewinner der Physik- und Mathematikolympiaden für Gymnasiasten, die - im Gegensatz zu den Sportlern - von allen Personen des öffentlichen Lebens meist ignoriert wurden, von einem Anruf des Premierministers oder Staatspräsidenten ganz zu schweigen.

Eine Woche nach seinem Tod veröffentlichte Jedioth die folgende Kolumne:





Dem kann man nichts mehr hinzufügen. 


Bild: Public Domain
Text: Rosebud




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